Nach Schätzungen entgehen dem Fiskus durch die gezielte Anwendung sogenannter Share Deals jedes Jahr Steuereinnahmen von bis zu einer Milliarde Euro. Das Vorhaben die grunderwerbsteuerlichen Regelungen zu verschärfen ist daher nicht neu. Ursprünglich war ein Inkrafttreten im Zuge des Jahressteuergesetzes 2019 geplant. Nach einiger Kritik aus Wirtschaft und Wissenschaft einigten sich die Koalitionsparteien CDU/CSU und SPD aber auf eine Verschiebung und die Überführung in ein eigenes Gesetzgebungsverfahren. Nun deutet sich bei der umstrittenen Reform Bewegung an. Dies möchten wir zum Anlass nehmen, Ihnen einen kurzen Überblick über die wesentlichen angedachten Änderungen zu geben:
Absenkung der Schwellenwerte
Die Schwellenwerte für Anteilsübertragungen sollen auf 90% gesenkt werden. Dies gilt für alle grunderwerbsteuerlichen Tatbestände grundstückshaltender Gesellschaften (§ 1 Abs. 2a, Abs. 3, Abs. 3a und der neue § 1 Abs. 2b GrEStG), nicht jedoch für das Konzernprivileg des § 6a GrEStG – hier bleiben die 95% bestehen. Damit ergibt sich eine Verschiebung der Quote, bei der ein Erwerb von Anteilen an einer grundbesitzenden Gesellschaft noch keine Grunderwerbsteuer zur Folge hat, von 94,9% auf 89,9%. Dies ist insbesondere bei der Verbundbildung zu beachten.
Neuer Besteuerungstatbestand für Kapitalgesellschaften
Die wahrscheinlich größte Änderung stellt wohl die Einführung eines neuen Grunderwerbsteuertatbestandes für Kapitalgesellschaften dar. Wie bereits bei Personengesellschaften soll nach dem geplanten § 1 Abs. 2b GrEStG zukünftig auch bei Kapitalgesellschaften – neben der Anteilsvereinigung in einer Hand von ≥90% – die bloße Übertragung von Anteilen ≥90% an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft innerhalb von 10 Jahren Grunderwerbsteuer auslösen. Ausnahmen sind hier lediglich für börsennotierte Unternehmen vorgesehen.
Verlängerung der Haltefristen
Die derzeitigen Fünfjahresfristen in den Vorschriften des Grunderwerbsteuergesetzes sollen auf 10 bzw. 15 Jahre verlängert werden. Im neuen geplanten § 1 Abs. 2b GrEStG ist diese Frist bereits so enthalten. Ausgenommen von der Verlängerung sollen lediglich die Vor- und Nachbehaltensfristen im Rahmen des Konzernprivilegs nach § 6a GrEStG sein.
Anwendungszeitraum und Übergangsregelungen
Sofern das Gesetz zeitnah verabschiedet werden sollte, sind die Neuerungen grundsätzlich ab dem 1. Juli 2021 anzuwenden. Für die Fälle, in denen ein Erwerb von Anteilen zwischen 90% und 94,9% in der Vergangenheit bereits stattgefunden hat, bleibt es aber bei der Anwendung des alten Rechts. Erfasst werden damit auch Hinzuerwerbe von Anteilen, die nach der Neuregelung ansonsten nicht mehr steuerbar wären, weil die neue Beteiligungsgrenze von ≥90% vor dem Hinzuerwerb bereits überschritten war. Für diese Altfälle hat dies damit faktisch einen ewigen Überwachungszeitraum zur Folge. Außerdem soll der Vertrauensschutz für Verpflichtungsgeschäfte entfallen, die innerhalb eines Jahres vor Inkrafttreten der Reform abgeschlossen wurden. Erst nach dem 1. Juli 2021 dinglich vollzogene Anteilsübertragungen wären damit bereits nach den verschärften Maßgaben zu beurteilen.
Fazit
Über einen Gesetzentwurf wird zwar erst noch vom Bundestag und Bundesrat diskutiert werden müssen, sodass sich noch Änderungen und Ergänzungen ergeben können. Die Bundesregierung hat sich in den bisher zwischen den Koalitionären strittigen Punkten aber wohl geeinigt. Nach aktuellem Entwurfsstand wird das Grunderwerbsteuerrecht durch die Reform insbesondere für nicht börsennotierte Kapitalgesellschaften damit erheblich verschärft. Der Bewertung und Überwachung von grunderwerbsteuerlichen Fallgestaltungen wird damit zukünftig einiges mehr an Aufmerksamkeit gewidmet werden müssen. Idealerweise ist dies integraler Bestandteil eines Tax Compliance Management-Systems.
Selbstverständlich unterstützen wir Sie bei der Umsetzung Ihrer Vorhaben und Überwachung der komplexen grunderwerbsteuerlichen Regelungen. Sprechen Sie uns gerne direkt an.
UPDATE: Der Bundestag hat am 21. April 2021 die Maßnahmen gegen sogenannte Share Deals beschlossen. Der Bundesrat hat am 7. Mai 2021 dem Gesetz zur Änderung des Grunderwerbsteuergesetzes zugestimmt.
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