Für die Steuerpflichtigen war die Inanspruchnahme der Steuerbegünstigung nach § 6a GrEStG sehr lange mit einigen Unsicherheiten verbunden. Durch die sieben BFH-Urteile vom 21.08.2019 bzw. 22.08.2019 wurden diverse sehr restriktive Auffassungen der Finanzverwaltung nicht bestätigt. Auf Basis des gleich lautenden Ländererlasses vom 22.09.2020 können die Steuerpflichtigen nun darauf vertrauen, dass die Finanzverwaltung die Entscheidungen des BFH auch über den Einzelfall hinaus anwendet.
Der Anwendungsbereich des § 6a GrEStG wird durch den Erlass signifikant erweitert. Dazu zählen insbesondere die Aufgabe des sog. Verbundbegriffs und die damit verbundenen sehr engen Auslegungen in Bezug auf die Vor- und Nachbehaltensfristen. In Bezug auf Umwandlungsvorgänge, bei denen eine Gesellschaft neu begründet oder beendet wird, dürften die bislang bestandenen Rechtsunsicherheiten nunmehr größtenteils beseitigt worden sein. Außerdem wurde der Begriff des herrschenden Unternehmens neu definiert und von der umsatzsteuerlichen Unternehmereigenschaft als Voraussetzung Abstand genommen. An den Regeln zur Bestimmung des herrschenden Unternehmens wird hingegen festgehalten. Demnach ist immer auf den obersten Rechtsträger in der Beteiligungskette abzustellen. Es bleibt jedoch abzuwarten, wie der BFH in dem zu dieser Frage anhängigen Verfahren (II R 13/20) entscheiden wird.
Die Umsetzung der BFH-Rechtsprechung durch den Ländererlass hat große Auswirkung auf die Beratungs- und Gestaltungspraxis. Neben der enormen Bedeutung für künftige Umstrukturierungen mit Grundstücksbezug innerhalb des Konzerns, kann der Erlass auch in zurückliegenden Fällen, in denen das Finanzamt die Anwendung von § 6a GrEStG bspw. unter Berücksichtigung der Grundsätze des Verbundbegriffs untersagt hat, zu einer Neubeurteilung unter Gewährung der Steuerbegünstigung führen. Da der Erlass auf alle noch offenen Fälle anwendbar ist, sollte im jeweiligen Einzelfall geprüft werden, ob eine Änderung nach den Vorschriften der Abgabenordnung noch möglich ist.
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Im Folgenden finden Sie zudem detaillierte Informationen zu der Umsetzung der BFH-Rechtsprechung durch die Finanzverwaltung:
Um den Anwendungsbereich des § 6a GrEStG zu eröffnen, bedarf es eines sog. begünstigungsfähigen Erwerbsvorganges. Im Gesetz sind hier die Umwandlungen i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1–3 UmwG genannt. Begünstigte Umwandlungen sind insbesondere die Verschmelzung, die Spaltung und die Vermögensübertragung. Es ist unbeachtlich, in welche Richtung (seitwärts, aufwärts oder abwärts) eine Verschmelzung erfolgt.
Die Finanzverwaltung sah bislang nur solche Umwandlungsvorgänge als begünstigt an, in denen ausschließlich Gesellschaften innerhalb eines Verbundes beteiligt waren. Dies galt also z.B. für die Seitwärtsverschmelzung zweier abhängiger Tochtergesellschaften. Nicht begünstigt waren aber z.B. die Aufwärts- oder Abwärtsverschmelzung. Aufgrund der verschiedenen BFH-Entscheidungen sind nunmehr auch die Fälle von der Steuerbegünstigung umfasst, in denen
.…- eine abhängige Gesellschaft auf das herrschende Unternehmen verschmolzen wird,
.…- eine abhängige Gesellschaft durch Ausgliederung aus dem herrschenden Unternehmen neu entsteht und
.…- eine abhängige Gesellschaft auf eine natürliche Person als herrschendes Unternehmen verschmolzen wird.
Weiterhin ausdrücklich nicht begünstigt ist hingegen die formwechselnde Umwandlung i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 4 UmwG. Ob diese aber überhaupt einen grunderwerbsteuerbaren Vorgang darstellt, ist im Einzelfall zu prüfen.
Anforderungen
Die Finanzverwaltung hat den Begriff des „herrschenden Unternehmens“ bisher sehr restriktiv ausgelegt. Dieser Auslegung ist der BFH nicht gefolgt. Nunmehr kann das herrschende Unternehmen neben juristischen Personen und Personengesellschaften auch eine natürliche Person oder ein Einzelunternehmen sein, sofern eine wirtschaftliche Tätigkeit vorliegt. Für das Vorliegen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs reicht es somit aus, wenn das herrschende Unternehmen lediglich über eine Beteiligung an einer abhängigen Gesellschaft am Markt teilnimmt. Aber: Reine Holdinggesellschaften und Vorratsgesellschaften sind weiterhin nicht als wirtschaftlich tätig anzusehen.
Identifizierung
Diesbezüglich hält die Finanzverwaltung an ihrer Auffassung fest. Zur Bestimmung des herrschenden Unternehmens ist daher weiterhin von „unten“ nach „oben“ der oberste wirtschaftlich tätige Rechtsträger zu bestimmen, der die Mindestbeteiligungshöhe von 95 % erfüllt. Das dürfte regelmäßig die Holding, mithin die Spitze des Verbundes sein. Hier ist aber derzeit ein weiteres Verfahren beim BFH anhängig (Az. des BFH: II R 13/20). Als Vorinstanz hat das FG Düsseldorf mit Urteil vom 20.05.2020 bereits entschieden, dass das herrschende Unternehmen nicht zwingend der oberste Rechtsträger in der Beteiligungskette sein muss. Vielmehr kann dieses auch selbst eine abhängige Gesellschaft innerhalb eines Konzernverbunds sein. Hier bleibt also abzuwarten, ob der BFH die Auffassung der Finanzverwaltung oder die des FG Düsseldorf bestätigt.
Für eine i. S. d. § 6a GrEStG begünstige Grundstücksübertragung ist unter anderem Voraussetzung, dass die Mindestbeteiligungshöhe von 95 % zwischen dem herrschenden Unternehmen und den am Umwandlungsvorgang beteiligten Gesellschaften innerhalb eines Zeitraums
.…- von fünf Jahren vor dem Umwandlungsvorgang (Vorbehaltensfrist) und
.…- fünf Jahren nach dem Umwandlungsvorgang (Nachbehaltensfrist)
besteht. Danach würden solche Umwandlungsvorgänge nicht in den Anwendungsbereich des § 6a GrEStG fallen, bei denen eine beteiligte Gesellschaft erlischt oder neu entsteht.
Hier vertrat die Finanzverwaltung eine sehr restriktive Auffassung. Ausnahmen gab es nur für solche Fälle, in denen es durch den Umwandlungsvorgang nicht zur Begründung oder Beendigung des Konzernverbundes kam. Der maßgebende Verbund in diesem Sinne bestand jeweils aus dem herrschenden Unternehmen und den am Umwandlungsvorgang beteiligten abhängigen Gesellschaften sowie den dieses Beteiligungsverhältnis vermittelnden abhängigen Gesellschaften. Dies führte dazu, dass eine Vielzahl von Umwandlungsvorgängen, z. B. die Aufwärtsverschmelzung oder die Spaltung zur Neugründung nach Auffassung der Finanzverwaltung in den meisten Fällen nicht begünstigt war.
Dieser Auslegung widersprach der BFH, sodass die Finanzverwaltung an dem Verbundbegriff nicht mehr festhält. Die Fristen sind daher nur insoweit zu beachten, als dass dies umwandlungsrechtlich auch möglich ist. Eine Vorbehaltensfrist kann es bei der Auf- oder Abspaltung und Ausgliederung zur Neugründung nicht geben, sodass diese in Bezug auf die neu gegründete Gesellschaft unbeachtlich ist.
Bei der Nachbehaltensfrist kann diese in Bezug auf den übertragenden Rechtsträger in den nachfolgenden Fällen nicht eingehalten werden und ist daher ebenfalls unbeachtlich:
.…- Verschmelzung zur Aufnahme oder zur Neugründung
.…- Aufspaltung zur Aufnahme oder zur Neugründung
.…- Vollübertragung des gesamten Vermögens eines Rechtsträgers
.…- Vermögensübertragung durch Aufspaltung zur Aufnahme
Diesbezüglich wurde die Auffassung der Finanzverwaltung durch den BFH bestätigt. Die Steuerbegünstigung nach § 6a GrEStG ist daher unverändert – anders als die gesamthänderischen Begünstigungen gem. §§ 5 und 6 GrEStG – nicht grundstücksbezogen anzuwenden. Folglich ist nicht auf den Verbleib der durch den Umwandlungsvorgang übergehenden Grundstücke, sondern allein auf die Beteiligungsverhältnisse abzustellen. Dadurch sind eventuelle Änderungen in der grunderwerbsteuerrechtlichen Zurechnung der Grundstücke innerhalb der Vor- und Nachbehaltensfristen unbeachtlich.
Daher ist es für die Anwendung des § 6a GrEStG bspw. unerheblich, ob eine Gesellschaft bereits vor dem Erreichen der 95 %-Beteiligung wirtschaftlich und organisatorisch in den Konzern eingebunden war. Maßgeblich ist vielmehr das qualifizierte Abhängigkeitsverhältnis.
Die Bundesregierung hatte im Juli 2019 einen Gesetzentwurf beschlossen, der maßgeblich Share Deals unattraktiver machen sollte. Unter anderem sollte die sog. 95 % Grenze auf 90 % abgesenkt, ein neuer Ergänzungstatbestand zur Erfassung von Anteilseignerwechsel eingeführt und diverse Fristen von fünf auf zehn Jahre verlängert werden. Eigentlich sollte das Gesetz bereits zum 1. Januar 2020 geändert werden. Nachdem dies nicht gelungen ist, sollten im Herbst 2020 die Beratungen dazu wieder aufgenommen werden. Auch das ist nicht erfolgt. Wann mit einer Umsetzung gerechnet werden kann, ist daher fraglich.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass für die Anwendung des § 6a GrEStG in den Gesetzesentwürfen zwar keine Verlängerung der Vor- und Nachbehaltensfristen vorgesehen ist, aber auch keine Absenkung der Beteiligungsgrenze von 95 % auf 90 %.
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