Der V. Senat des BFH urteile am 21. April 2022 über die Umsatzsteuerbefreiung von Umsätzen aus dem Betrieb einer Cafeteria eines Altersheims: Betreibt ein Altersheim mit umfassender Verpflegung der Heimbewohner auch eine Cafeteria, die zusätzlich entgeltlich Getränke und Speisen an Heimbewohner und deren Besucher abgibt, sind die Umsätze aus dem Betrieb der Cafeteria nicht gemäß § 4 Nr. 16 Satz 1 UStG steuerfrei. Der Betrieb der Cafeteria ist in einem solchen Fall für die Pflege und Versorgung der Heimbewohner nicht unerlässlich.
Der Sachverhalt
Im Zentrum der Auseinandersetzung der Klägerin, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), mit dem Finanzamt (FA) stand die Umsatzsteuerpflicht von Entgelten aus dem Betrieb einer Cafeteria durch ein Altersheim in den Jahren 2014 bis 2016.
Die Klägerin betrieb in den Streitjahren ein Altersheim mit ca. 150, überwiegend bettlägerigen, Bewohnern. Alle Bewohner hatten eine Pflegestufe. Betreutes Wohnen bot die Klägerin nicht an. Sämtliche Kosten für Heimunterbringung wurden gegenüber der Pflegeversicherung bzw. Sozialhilfe abgerechnet.
Zur Verpflegung der Heimbewohner gab es auf den einzelnen Stationen Speisesäle, in denen die Bewohner ihre Mahlzeiten einnahmen. Neben den regulären Mahlzeiten (Frühstück, Mittag- und Abendessen) wurde täglich ein Nachmittagssnack angeboten (z.B. Kuchen). Zusätzlich betrieb die Klägerin in den Räumlichkeiten des Altersheims eine Cafeteria, die unstreitig nur den Bewohner und deren Besuchern offenstand (überprüft durch Eingangs- und Ausgangskontrollen). Das Angebot der Cafeteria umfasste Kaffee- und Kaltgetränke, selbstgebackenen Kuchen und kleine Speisen.
Die Klägerin behandelte die Umsatzsätze aus dem Cafeteria-Betrieb als umsatzsteuerfrei, da sie sie mit dem Betrieb des Altersheim als eng verbunden betrachtete. Um den Bewohnern eine angemessene Lebensgestaltung zu ermöglichen, sei demnach die Cafeteria ein bedeutender Bestandteil der Versorgung der Bewohner. Ihre Argumentation stütze die klagende GbR auf die §§ 2 und 11 HeimG (mittlerweile durch im Wesentlichen gleichlautendes Landesgesetz ersetzt). Diese fordern, dass die Würde sowie die Interessen und Bedürfnisse der Bewohnerinnen und Bewohner zu schützen sind und die Selbständigkeit, die Selbstbestimmung und die Selbstverantwortung der Heimbewohner zu wahren und zu fördern.
Nach einer Außenprüfung erließ das FA dennoch erstmalig Umsatzsteuerbescheide. In denen unterwarf das FA die Umsätze aus der Cafeteria dem Regelsteuersatz und ergänzte die Pauschbeträge für die unentgeltliche Wertabgabe von Speisen und Getränke.
Die Entscheidung des BFH
Nachdem der Klägerin zunächst durch das Urteil des Finanzgerichts (FG) Baden-Württemberg vom 16. September 2021 (1 K 620/20) eine Absage für die Anwendung der Umsatzsteuerbefreiung erteilt wurde, wies nun auch der BFH die Revision gegen das FG-Urteil als unbegründet ab.
Seine Ansicht stützte der BFH dabei auf die notwendige unionsrechtskonforme Auslegung des Begriffs „eng verbunden” in § 4 Nr. 16 UStG, wonach Leistungen nur dann mit der Betreuung oder Pflege von körperlich, kognitiv oder psychisch hilfsbedürftigen Personen eng verbunden sind, wenn sie für die zu erbringende (Pflege)Leistung unerlässlich sind. Da jedoch der Betrieb einer Cafeteria, die zusätzlich entgeltlich Getränke und Speisen an die Heimbewohner und deren Besucher abgibt, obwohl das Altersheim seine Heimbewohner umfassend verpflegt, nicht als unerlässlich für den Betrieb des Altersheims angesehen werden könne, sind auch die Entgelte aus dem Betrieb der Cafeteria nicht nach § 4 Nr. 16 UStG eng verbunden bzw. folglich von der Umsatzsteuer befreit.
Bestätigt wurde in diesem Zusammenhang auch die Auffassung des FG, dass weder das HeimG noch die das HeimG überwachende Behörde die Verpflichtung kennen, eine Cafeteria mit entgeltlicher Abgabe von Kaffee und Kuchen zu errichten. Auch die räumlichen Gegebenheiten ließen nicht die Vermutung zu, dass der Betrieb der Cafeteria unerlässlich war.
Es sei ebenfalls nicht von steuerbefreiten Nebenleistungen zu einer steuerbefreiten Hauptleistung auszugehen.
Unsere Einschätzung
Die aktuelle Entscheidung des V. Senats zur (unionsrechtskonformen) Auslegung des Begriffs „eng verbunden” in § 4 Nr. 16 UStG ist wenig überraschend und liegt auf einer Linie mit seinen vorherigen Urteilen. Auch die Finanzverwaltung wird in ihrer vertretenen Ansicht bekräftigt (siehe auch Abschn. 4.14.6 Abs. 3 Nr. 1 UStAE). Insgesamt wird wieder einmal deutlich, dass in jedem kritischen Fall auf den Empfänger(kreis) der Leistungen abzustellen ist. Was in theoretischen Auseinandersetzung simpel erscheint, stellt viele Steuerpflichtige in der Sozial- und Gesundheitswirtschaft vor enorme praktische Herausforderungen. Nicht zuletzt, weil eine Vielzahl steuerlicher Risiken gänzlich unbekannt sind oder Compliance-Prozesse noch in den Kinderschuhen stecken.
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