Die nationalen Steuerbefreiungen für Bildungsleistungen sind nicht mit dem Unionsrecht vereinbar – dies ist bereits länger bekannt. Im Zuge des Jahressteuergesetzes 2019 sollte daher eine Neufassung des § 4 Nr. 21 UStG sowie die Streichung des § 4 Nr. 22 Buchst. a UStG erfolgen. Der Gesetzentwurf hatte jedoch zu erheblichen Diskussionen sowie kritischen Stellungnahmen verschiedener Verbände und Interessensvertretungen geführt, sodass die Änderung verworfen wurde. Der EuGH verdeutlicht nun seine Sichtweise in einem weiteren Urteil (EuGH, Urteil vom 21.10.2021).
In der Vergangenheit legten der EuGH und der BFH die unionsrechtlichen Steuerbefreiungen in der Regel weit aus. Viele Bildungsleistungen wurden daher davon erfasst, solange diese nicht der bloßen Freizeitgestaltung dienten. Mit der Entscheidung zum Fahrschulunterricht (EuGH, Urteil vom 14.03.2019) änderte sich aber die Sichtweise des EuGH. Der Begriff des „Schul- und Hochschulunterrichts“ wurde nun strenger ausgelegt. Seitdem herrscht eine gewisse Unsicherheit, welche Bildungsleistungen von Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j MwStSystRL tatsächlich noch umfasst sind. Selbst beim BFH bestand keine Klarheit darüber, ob die Erteilung von Schwimmunterricht unter den Begriff des „Schul- und Hochschulunterrichts“ zu fassen ist, sodass er diese Frage dem EuGH zur Entscheidung vorlegte. In seinem Vorlagebeschluss tendierte der BFH jedoch dazu, die Umsatzsteuerbefreiung zu gewähren, da am Erlernen des Schwimmens – im Gegensatz zum Erwerb des Pkw-Führerscheins – ein ausgeprägtes Gemeininteresse besteht.
Dies sah der EuGH grundlegend anders und entschied, dass der Begriff „Schul- und Hochschulunterricht” i. S. v. Art. 132 Abs. 1 Buchst. i und j MwStSystRL dahin auszulegen ist, dass er nicht den von einer Schwimmschule erteilten Schwimmunterricht umfasst. Der EuGH erkennt zwar an, dass der Schwimmunterricht in einer Schwimmschule unzweifelhaft von Wichtigkeit ist und ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolgt, dennoch ist es ein spezialisierter, punktuell erteilter Unterricht, der für sich allein nicht die Voraussetzungen für den Schul- und Hochschulunterricht erfüllt. Dazu sind vielmehr die Vermittlung, Vertiefung und Entwicklung von Kenntnissen und Fähigkeiten in Bezug auf ein breites und vielfältiges Spektrum von Stoffen erforderlich.
In seiner Begründung verwendet der EuGH viele unbestimmte Rechtsbegriffe. Daher ist es für die Bildungsanbieter schwer zu erkennen, ob ihr Angebot (noch) von der Umsatzsteuer befreit ist. Bei konsequenter Anwendung der EuGH Rechtsprechung könnten jedenfalls nur noch solche Einrichtungen die Steuerbefreiung in Anspruch nehmen, welche umfassende Bildungsleistungen anbieten. Je spezialisierter das Angebot, desto größer das Risiko, dass die Steuerbefreiung versagt wird.
Von dem Urteil sind insbesondere auch Anbieter (juristische Personen des öffentlichen Rechts, Volkshochschulen, Einrichtungen ohne Gewinnstreben) betroffen, welche ihre „Vorträge, Kurse und anderen Veranstaltungen wissenschaftlicher und belehrender Art“ als nach § 4 Nr. 22 UStG umsatzsteuerfrei einordnen, denn auch diese sind richtlinienkonform bspw. als „Schul- und Hochschulunterricht“ auszulegen.
Die Anpassung des § 4 Nr. 21, 22 UStG steht nach wie vor aus. Durch die Entscheidung des EuGH werden nun weitere Fakten geschaffen. Bildungsanbieter sollten daher dringend prüfen, ob ihre Kurse und Veranstaltungen (noch) von der Umsatzsteuer befreit sind. Dabei sind wir Ihnen selbstverständlich gerne behilflich.
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