Keine Gemeinnützigkeit für Betriebs-Kitas?

In einer jüngst ver­öf­fent­lich­ten Ent­schei­dung vom 1. Febru­ar 2022 urteil­te der Bun­des­fi­nanz­hof (nach­fol­gend: BFH) in der Rechts­sa­che V R 1/20 zur Gemein­nüt­zig­keit einer Betriebs-Kita und ent­schied, dass eine Kör­per­schaft, die Kin­der­be­treu­ungs­ein­rich­tun­gen betreibt, nicht die All­ge­mein­heit för­dert, wenn sie bei der Bele­gung der Plät­ze die Bele­gungs­prä­fe­renz ihrer Ver­trags­part­ner – bestimm­te Unter­neh­men – in der Wei­se berück­sich­tigt, dass sich der geför­der­te Per­so­nen­kreis nicht mehr als Aus­schnitt der All­ge­mein­heit dar­stellt. Außer­dem sei­en die jeweils ver­folg­ten steu­er­be­güns­tig­ten Zwe­cke in der Sat­zung soweit wie mög­lich zu konkretisieren. 

Der Sach­ver­halt

Die Klä­ge­rin, eine im Jahr 2008 gegrün­de­te GmbH, betrieb in den Streit­jah­ren 2008 bis 2012 vier Kin­der­be­treu­ungs­ein­rich­tun­gen (nach­fol­gend: Kitas). Alle Ein­rich­tun­gen stan­den in ers­ter Linie den Beschäf­tig­ten von Unter­neh­men offen, mit denen die GmbH zuvor ent­spre­chen­de Ver­trä­ge abge­schlos­sen hat­te. Grund­sätz­lich war die Klä­ge­rin dazu ange­hal­ten, auf die Bele­gungs­prä­fe­renz der Ver­trags­un­ter­neh­men Rück­sicht zu neh­men, sofern dies mit den gesetz­li­chen Bestim­mun­gen, den behörd­li­chen Auf­la­gen und dem päd­ago­gi­schen Kon­zept ver­ein­bar war. Ande­re Per­so­nen, die nicht bei den Unter­neh­men beschäf­tigt waren, konn­ten einen Betreu­ungs­platz in Anspruch neh­men, wenn die Unter­neh­men aus ihrer Beleg­schaft kei­nen Bedarf hat­ten oder wenn Plät­ze län­ger unbe­legt blieben.

Mit Datum vom 30. August 2008 beschei­nig­te das zustän­di­ge Finanz­amt vor­läu­fig, dass die Klä­ge­rin gemein­nüt­zi­ge Zwe­cke ver­fol­ge, weil sie die Jugend- und Alten­hil­fe, die Erzie­hung und die Volks- und Berufs­bil­dung för­de­re und erließ zunächst Kör­per­schaft­steu­er­be­schei­de für die Jah­re 2008 bis 2011 mit dem Hin­weis der Steu­er­be­frei­ung unter dem Vor­be­halt der Nachprüfung.

Eine steu­er­li­che Außen­prü­fung im Jahr 2012 gelang­te hin­ge­gen zur abwei­chen­den Auf­fas­sung, dass die GmbH nicht gemein­nüt­zi­gen Zwe­cken die­ne, da sie nicht die All­ge­mein­heit för­de­re, weil ihre Ein­rich­tun­gen den Beschäf­tig­ten ihrer Ver­trags­part­ner vor­be­hal­ten sei­en. Mit dem Hin­weis, die Klä­ge­rin erfül­le nicht die Vor­aus­set­zun­gen für eine Steu­er­be­frei­ung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG, erließ die Finanz­ver­wal­tung für die Jah­re 2008 bis 2012 Kör­per­schaft­steu­er­be­schei­de. Die gegen die Beschei­de ein­ge­leg­ten Ein­sprü­che blie­ben erfolg­los und eine sich anschlie­ßen­de Kla­ge vor dem Finanz­ge­richt (nach­fol­gend: FG) Düs­sel­dorf wur­de mit Urteil vom 28. Okto­ber 2019 abge­wie­sen.

Das Urteil

Der BFH schloss sich in sei­ner Urteils­be­grün­dung der Rechts­auf­fas­sung der Vor­in­stanz an:

Er führ­te aus, dass das FG ohne Rechts­ver­stoß eine Steu­er­be­frei­ung der GmbH nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG i.V.m. § 52 ff. AO für die Streit­jah­re ver­neint hat­te, da die­se nicht die All­ge­mein­heit im Sin­ne von § 52 Abs. 1 Satz 2 AO för­de­re. Eine För­de­rung der All­ge­mein­heit sei unter ande­rem dann nicht gege­ben, wenn eine Kör­per­schaft, die Kitas betreibt, bei der Bele­gung der Plät­ze Bele­gungs­prä­fe­ren­zen ihrer Ver­trags­part­ner – bestimm­te Unter­neh­men – in der Wei­se berück­sich­tigt, dass sich der geför­der­te Per­so­nen­kreis nicht mehr als Aus­schnitt der All­ge­mein­heit darstellt. 

Aus­ge­hend von den für den BFH bin­den­den Fest­stel­lun­gen des FG sei eine För­de­rung der All­ge­mein­heit im Streit­fall nicht gege­ben, da die Klä­ge­rin ver­trag­lich ver­pflich­tet war, nahe­zu alle von ihr ange­bo­te­nen Betreu­ungs­plät­ze den Ver­trags­part­nern anzu­bie­ten. Hin­zu kam die Tat­sa­che, dass für die Auf­nah­me der zu betreu­en­den Kin­der für die Beschäf­tig­ten der Ver­trags­part­ner der Klä­ge­rin die Auf­nah­me­be­din­gun­gen der Klä­ge­rin gal­ten, wobei die Klä­ge­rin auf die Bele­gungs­prä­fe­renz der jewei­li­gen Ver­trags­part­ner Rück­sicht neh­men soll­te, sofern dies mit den gesetz­li­chen Bestim­mun­gen, den behörd­li­chen Auf­la­gen und dem päd­ago­gi­schen Kon­zept ver­ein­bar war. 

Die ver­trag­li­che Mög­lich­keit nicht ver­ge­be­ne Rest­plät­ze tat­säch­lich ander­wei­tig zu ver­ge­ben, hin­der­te den BFH (und zuvor das FG) nicht dar­an davon aus­zu­ge­hen, dass die Betreu­ungs­plät­ze wegen der Berück­sich­ti­gung der Bele­gungs­prä­fe­renz der Ver­trags­part­ner der Klä­ge­rin vor­ran­gig den Beschäf­tig­ten der Ver­trags­part­ner der Klä­ge­rin und damit nicht der All­ge­mein­heit zugu­te­ka­men. So sei eine tat­säch­lich ander­wei­ti­ge Bele­gung im vor­lie­gen­den Fall bereits des­halb uner­heb­lich, da die Kör­per­schaft „dar­auf gerich­tet sein muss, die All­ge­mein­heit (…) zu för­dern“, was unter den Vor­aus­set­zun­gen des § 52 Abs. 1 S. 2 AO ohne fes­te „Rest­platz­quo­te“ zu ver­nei­nen ist.

Mit Blick auf die Auf­nah­me­ka­pa­zi­tät der Ein­rich­tun­gen (102 zu ver­ge­be­ne Plät­ze) war es für die Ent­schei­dung des BFH eben­falls uner­heb­lich, dass die Klä­ge­rin in einer Ein­rich­tung vier von ins­ge­samt zwölf Plät­zen der Stadt A zur Erfül­lung des Rechts­an­spruchs auf einen Krip­pen­platz ab August 2012 zur Ver­fü­gung stell­te. Die­se nur weni­gen Plät­ze führ­ten nicht dazu, dass sich der von der Klä­ge­rin geför­der­te Per­so­nen­kreis als Aus­schnitt der All­ge­mein­heit darstellt.

Des Wei­te­ren urteil­te der BFH im Streit­fall über die Anfor­de­run­gen an die for­ma­le Sat­zungs­mä­ßig­keit bei mild­tä­ti­gen Kör­per­schaf­ten. So sei die Klä­ge­rin nicht wegen der Ver­fol­gung mild­tä­ti­ger Zwe­cke nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 KStG i.V.m. § 53 AO steu­er­be­freit, da die Sat­zung man­gels aus­rei­chen­der Kon­kre­ti­sie­rung der ver­folg­ten steu­er­be­güns­ti­gen Zwe­cke nicht den gesetz­li­chen Anfor­de­run­gen entsprach.

Unse­re Einschätzung

Das bespro­che­ne Urteil fügt sich naht­los in die jüngs­te Recht­spre­chung des BFH zum gemein­nüt­zig­keits­recht­li­chen Grund­satz der För­de­rung der All­ge­mein­heit ein. Bereits 2021 ent­scheid der V. Senat des BFH, dass im Fal­le einer Pri­vat­schu­le eine Sti­pen­dia­ten­quo­te von weni­ger als 10 % nicht mit dem Grund­satz der För­de­rung der All­ge­mein­heit zu ver­ein­ba­ren ist und der Kreis der Schü­ler nicht als Aus­schnitt der All­ge­mein­heit ange­se­hen wer­den kann, wenn im Übri­gen – nur schwer­lich mit einen durch­schnitt­li­chen Net­to­haus­halts­ein­kom­men zu finan­zie­ren­de – Schul­ge­büh­ren ver­langt wer­den. Nun urteil­te der BFH erneut zum Grund­satz der För­de­rung der All­ge­mein­heit und bemüh­te das Instru­men­te einer ver­trag­lich gesi­cher­ten Quo­ten­re­ge­lung (Rest­platz­quo­te), ließ dabei jedoch offen, wie hoch die­se bei Betriebs-Kitas kon­kret aus­fal­len müss­te, um bei den betreu­ten Kin­dern von einem (reprä­sen­ta­ti­ven) Aus­schnitt der All­ge­mein­heit aus­ge­hen zu können.

Zu begrü­ßen ist ins­ge­samt, dass der V. Senat BFH, wie auch in den ver­gan­ge­nen Jah­ren, eine kla­re Linie in sei­ner Recht­spre­chung erken­nen lässt: Um dem Grund­satz der För­de­rung der All­ge­mein­heit in der Pra­xis ord­nungs­ge­mäß Rech­nung tra­gen zu kön­nen, bedarf es einer ein­deu­ti­gen Quo­ten­re­ge­lung. Sei es eine Rest­platz­quo­te bei Betriebs-Kitas oder eine Sti­pen­dia­ten­quo­te bei Pri­vat­schu­len. Wich­tig wird in die­sem Zusam­men­hang wohl sein, dass im Ein­zel­fall eine objek­tiv nach­voll­zieh­ba­re und nicht nur mar­gi­na­le (Restplatz)Quote ver­wen­det wird, wel­che sich im Fall des Kon­flikts mit der Finanz­ver­wal­tung sach­lich begrün­den lässt. 

Ger­ne ste­hen wir Ihnen als Team bei Fra­gen zum bespro­che­nen BFH-Urteil oder bei steu­er­li­chen Fra­ge­stel­lun­gen zu gemein­nüt­zig­keits­recht­li­chen Grund­sät­zen und deren prak­ti­schen Anwen­dung zur Ver­fü­gung. Selbst­ver­ständ­lich unter­stüt­zen wir Sie auch in unse­rem Modul elioTAX.defense bei der gericht­li­chen und außer­ge­richt­li­chen Ver­tei­di­gung Ihrer steu­er­li­chen Interessen.

Für regel­mä­ßi­ge Infor­ma­tio­nen: Mel­den Sie sich ger­ne mit einem Klick bei unse­rem News­let­ter an.