Mit Datum vom 12. Januar 2023 veröffentlichte der BFH seine ersten Urteile in diesem Jahr. Darunter auch seine Entscheidung vom 18. August 2022 in Rechtssache V R 15/20, in der er das vorinstanzliche Urteil des Finanzgerichts Niedersachsen vom 4. Mai 2020 (6 K 53/18) aufhob. Der BFH entschied, dass
- der nationale Gesetzgeber unionsrechtlich nicht verpflichtet ist, einen Gemeinnützigkeitsstatus nach ausländischem Recht anzuerkennen.
- die Festschreibung des Satzungszwecks und die Art seiner Verwirklichung in der Satzung es der Finanzverwaltung ermöglichen soll, die Voraussetzungen der Steuervergünstigung leicht und einwandfrei zu überprüfen. Dies jedoch nicht der Fall sei, wenn in der Satzung auf ausländische Regelungen verwiesen wird, die von nationalem Recht abweichen, und sich auch sonst aus der Satzung selbst nicht ergibt, dass die Anforderungen des nationalen Gemeinnützigkeitsrechts gewahrt werden und
- wenn nach den Angaben in der Satzung neben einem begünstigten Zweck ein nicht begünstigter Zweck verfolgt wird, die Satzung gegen das Gebot der Ausschließlichkeit i.S. von §§ 51 Abs. 1 Satz 1, 56 AO verstößt.
Der Sachverhalt
Die Stiftung und ihre Satzung
Die Klägerin ist eine Stiftung, deren Errichtung auf die letztwillige Verfügung der A zurückgeht. Die Stiftung verfügt über in Deutschland und Österreich belegenes Vermögen. Sie wurde nicht nach deutschem Recht errichtet sondern hat ihren Sitz in Österreich und wurde in das dortige Stiftungs- und Fondsregister eingetragen.
Der Zweck der errichteten Stiftung ist die Förderung von Kunst und Kultur, insbesondere des XXX im Sinne des Lebenswerks von A und B (dem zuvor verstorbenen Ehemann von A). Die Stiftung verfolgte nach ihrer Satzung ausschließlich mildtätige und gemeinnützige Ziele im Sinne der österreichischen Bundesabgabenordnung (BAO). Zudem verfügt die Stiftung über ideelle (Hof X) und materielle Mittel (Stammvermögen und Erträgnisse) zur Erreichung des Stiftungszwecks. Dabei hatte die Stiftung bei jeglicher Verwirklichung dieser Mittel sich an die Vorgabe zu halten, dass diese ausschließlich für mildtätige und/oder gemeinnützige Zweckerreichungsmaßnahmen genutzt werden dürfen. Begünstigt sind Künstler, die u.a. hauptsächlich im Bereich des XXX künstlerisch tätig sind, und nachweislich einer finanziellen Zuwendung bedürfen, um ihre Kunst ausüben zu können sowie unter anderem juristische Personen und Personengesellschaften für Veranstaltungen, die auf unmittelbare Weise der Zweckerreichung dienen unter den Bedingungen, die für die Künstler gelten. Zur Erreichung des Stiftungszwecks darf auch das Stiftungsvermögen selbst, sofern es 50.000 € zu keiner Zeit unterschreitet, eingesetzt werden. Unterschreitet das Vermögen dauerhaft diesen Betrag, ist die Stiftung in einen Fonds im Sinne des österreichischen Bundes-Stiftungs- und Fondsgesetzes 2015 umzuwandeln. Als Mittel zur Erreichung des Stiftungszwecks dient insbesondere der X‑Hof in D (Österreich), der zur Zweckerreichung zur Verfügung gestellt wird und nicht veräußert werden darf.
Das Streitthema
Die Beteiligten stritten im Urteilsfall über die Feststellung der formellen Satzungsmäßigkeit nach § 60a der Abgabenordnung (AO). Das Finanzamt (FA) lehnte einen zuvor eingereichten Antrag auf Feststellung der formellen Satzungsmäßigkeit ab. Zwar blieb der zuvor gegen die Ablehnung eingelegte Einspruch erfolglos, allerdings hatte die Klage vor dem Finanzgericht Niedersachsen (FG) erfolgt.
Die Argumentation der Finanzverwaltung
Allerdings rügt das FA mit seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts und argumentierte, dass § 5 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 2 Nr. 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) verletzt sei, da die Klägerin nach einem Typenvergleich nicht einer rechtsfähigen Stiftung des nationalen Rechts entspreche. So fehle nach der Satzung eine Mindestdauer des Vermögens in der Verfügungsbefugnis der Stiftung und sie könne in einen Fonds nach österreichischem Recht umgewandelt werden. Entsprechend schien dem FG die dauerhafte und nachhaltige Erfüllung des Stiftungszwecks nicht gesichert. Zudem müsse die Klägerin nach ihrer Satzung umgewandelt werden, wenn ihr Vermögen den Betrag von 50.000 € dauerhaft unterschreitet, auch wenn sie noch „lebensfähig” sei, was dem nationalen Stiftungsrecht widerspreche.
Ergänzend führte das FA an, dass die Satzung der Klägerin nicht die inhaltlichen Anforderungen an die formelle Satzungsmäßigkeit nach den §§ 51, 59, 60 und 61 AO erfülle. Der nach der Satzung verfolgte mildtätige Zweck sei nicht hinreichend genau bestimmt, da nicht definiert sei, nach welchen Kriterien ein Künstler nachweislich einer finanziellen Zuwendung bedürfe. Auf die Erfüllung österreichischer Normen komme es wegen der Maßgeblichkeit inländischen Rechts für die Gewährung der inländischen Steuerbegünstigung nicht an. Darüber hinaus verfolge die Klägerin nicht ausschließlich gemeinnützige Zwecke, wenn sie satzungsgemäß Mittel an ‑ nicht als Hilfsperson anzusehende ‑ Personengesellschaften zuwende, weil die Gesellschafter der begünstigten Personengesellschaft nicht wiederum begünstigte Künstler sein müssten und Personengesellschaften keine begünstigten Empfänger einer Mittelzuwendung seien. Weiterhin fehle es an einer ausdrücklichen Festlegung, dass die Klägerin nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke verfolge, und genüge die Satzung der Klägerin nicht den Anforderungen an die satzungsmäßige Vermögensbindung.
Das Urteil
Der BFH gelangte zur Auffassung, dass das FG zu Unrecht die formelle Satzungsmäßigkeit gemäß § 60a Abs. 1 Satz 1 AO bejaht hatte und die Revision des FA demnach begründet war. Er hob in Folge dessen das vorinstanzliche Urteil auf und wies die Klage ab.
Unionsrechtliche Verpflichtung zur Anerkennung des Gemeinnützigkeitsstatus nach ausländischem Recht
Der BFH hielt fest, dass der Maßstab der Prüfung, ob die formelle Satzungsmäßigkeit gemäß § 60a Abs. 1 Satz 1 AO gegeben ist, das nationale Recht ist. Dies gelte unabhängig von der „Ansässigkeit” der Gesellschaft. Zudem wiederholte der BFH die Ansicht, der nationale Gesetzgeber sei nicht – auch nicht aufgrund des Unionsrechts – dazu verpflichtet, den Gemeinnützigkeitsstatus nach ausländischem Recht anzuerkennen (BFH vom 25. Oktober 2016 – I R 54/14, BStBl. II 2017, 1216 Rz. 20). Bevor er einer Stiftung eine Steuerbefreiung gewährt, dürfte er demnach nachprüfen, ob die Stiftung die nach nationalem Recht vorgeschriebenen Voraussetzungen für die Befreiung erfüllt. Die nationalen Stellen und Gerichte haben zu beurteilen, ob eine in einem anderen Mitgliedstaat als gemeinnützig anerkannte Einrichtung die dafür nach dem Recht des erstgenannten Mitgliedstaats vorgeschriebenen Voraussetzungen erfüllt und ihr Ziel die Förderung identischer Interessen der Allgemeinheit ist, so dass sie auch im erstgenannten Mitgliedstaat als gemeinnützig anerkannt werden könnte. Selbiges gelte für die Anerkennung der Verfolgung mildtätiger Zwecke.
Nach Ansicht des BFH hat das FG rechtsfehlerhaft entschieden, dass eine nicht in deutsche Sprache abgefasste Satzung dann den Anforderungen des § 60 Abs. 1 Satz 2 AO genügt, wenn diese materiell vergleichbare Festlegungen enthalte. Dass die Vorschrift des § 37 BAO, auf die in der Stiftungssatzung verwiesen wird, von § 53 AO abweicht sei nicht „im Lichte der europäischen Grundfreiheiten” unbeachtlich.
Verstoß gegen das Ausschließlichkeitsgebot (§ 56 AO)
Ergänzend urteilte der BFH, dass der Antrag auf formelle Satzungsmäßigkeit abzulehnen ist, da aus der Satzung nicht ersichtlich ist, dass die Stiftung mildtätige Zwecke i.S. des § 53 AO verfolgt und sie damit gegen das Ausschließlichkeitsgebot des § 56 AO verstößt.
In diesem Zusammenhang führte der BFH aus, dass gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 59 AO die Satzungszwecke und die Art ihrer Verwirklichung so genau bestimmt sein müssen, dass bereits aufgrund der Satzung geprüft werden kann, ob die satzungsmäßigen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung gegeben sind (formelle Satzungsmäßigkeit). Zudem ergäbe sich aus § 59 Halbsatz 1 AO, dass aus der Satzung ersichtlich sein muss, welchen Zweck die Körperschaft verfolgt und, dass dieser Zweck den Anforderungen der §§ 52 bis 55 AO entspricht sowie dass er ausschließlich und unmittelbar verfolgt wird. In Fortführung seiner jüngeren Rechtsprechung (BFH vom 24. März 2021, V R 35/18, BStBl. II 2021, 657, Rz. 31) wiederholte er zudem, der Satzungszweck und die Art seiner Verwirklichung seien so weit wie möglich zu konkretisieren, damit das FA die Möglichkeit hat, die Voraussetzungen der Steuervergünstigung leicht und einwandfrei zu überprüfen.
Indem die Satzung der Stiftung daher auf die Verfolgung mildtätiger Ziele im Sinne der BAO und der Begünstigung von Künstlern, die „nachweislich einer finanziellen Zuwendung bedürfen, um ihre Kunst ausüben zu können”, verweist, genügt sie nicht den Anforderungen an die Verfolgung mildtätiger Zwecke im Sinne des § 53 AO, da § 53 AO nicht der Vorschrift des § 37 BAO entspricht. Dies ergibt sich nach Auffassung des BFH auch nicht im Auslegungswege. So fehlt es in der BAO oder in der Satzung an einer § 53 Nr. 1 und Nr. 2 AO vergleichbaren Festlegung des hilfebedürftigen Personenkreises. Soweit nach der Satzung Künstler gefördert werden sollen, die „nachweislich einer finanziellen Zuwendung bedürfen, um ihre Kunst ausüben zu können”, fehlt es zudem an einem Maßstab, an dem die Unterstützung der Begünstigten ausgerichtet ist und der den Vorgaben des § 53 Nr. 2 AO entspricht. Denn die finanzielle Zuwendung hängt nach der Satzung der Klägerin nicht wie in § 53 Nr. 2 AO festgelegt von den wirtschaftlichen Verhältnissen der Künstler ab, sondern von der Ausübung ihrer Kunst.
Auf die Auslegung des § 37 BAO nach ausländischen Rechts kommt es nach Auffassung des BFH für die Erfüllung der formellen Satzungsmäßigkeit ebenfalls nicht an, auch wenn diese enger als die des § 53 Nr. 2 AO sein soll.
Der BFH kommt schließlich zu dem Ergebnis, dass wenn nach der Satzung neben einem begünstigten Zweck ein nicht begünstigter Zweck verfolgt wird, die Satzung gegen das Gebot der Ausschließlichkeit im Sinne von §§ 51 Abs. 1 Satz 1, 56 AO verstößt und die Anerkennung der formellen Satzungsmäßigkeit insgesamt ausgeschlossen ist. Demgemäß kommt es für den BFH auf die Frage einer Steuerbegünstigung der Förderung von Kunst und Kultur (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AO) nicht mehr an. Denn dieser Zweck stünde neben der Verfolgung mildtätiger Zwecke. So stellt der BFH final klar, dass die Verfolgung mildtätiger Zwecke nicht bloß „unvermeidbarer Reflex eines anderen verfolgten Zwecks” oder „mit anderen Worten nicht lediglich ein regelmäßig zu entbehrendes Mittel zur Erreichung des gemeinnützigen Zwecks” ist.
Der BFH befasste sich ausdrücklich nicht mit den Fragestellungen, ob die Stiftung nach einem Typenvergleich einer Stiftung des nationalen Rechts entspricht, ob die Satzung im Hinblick auf ihre Regelungen zur Vermögensbindung den Anforderungen an die formelle Satzungsmäßigkeit genügt oder ob die Mustersatzung wörtlich übernommen werden muss.
Unsere Einschätzung
Auch wenn über das vorgestellte Urteil des BFH in der Rechtssache V R 15/20 aufgrund seines eher exotisch gearteten Sachverhalts wohl zumeist leicht hinweggegangen wird, enthält das Urteil wieder einmal wichtige und interessante Hinweise für die gemeinnützigkeitsrechtliche Praxis.
So gehört zwar die Klarstellung des BFH, dass der nationale Gesetzgeber unionsrechtlich nicht dazu verpflichtet ist, einen Gemeinnützigkeitsstatus nach ausländischem Recht anzuerkennen, wohl für die aller meisten Akteure und Akteurinnen des gemeinnützigen Sektors nicht zu den herausragenden Themen, dennoch verdeutlicht diese Feststellung erneut auf anschauliche Weise, wie es um den Harmonisierungsgrad des Gemeinnützigkeitsrechts innerhalb des europäischen Binnenmarktes bestellt ist. Akteure der Wohlfahrtspflege sind weiterhin in ihrer grenzüberschreitenden Tätigkeit gehemmt und mit den Anforderungen unterschiedlicher Jurisdiktionen konfrontiert.
Hervorzuheben und für die Mehrheit der gemeinnützigen Akteure und Akteurinnen von Bedeutung sind vielmehr die Klarstellungen des BFH zu den vom nationalen Gesetzgeber geforderten Satzungserfordernissen im Kontext der Mildtätigkeit (§ 53 AO). So betonte der BFH erneut (siehe dazu bereits BFH vom 24. März 2021, V R 35/18, BStBl. II 2021, 657), dass der Satzungszweck und die Art seiner Verwirklichung so weit wie möglich zu konkretisieren seien, damit das FA die Möglichkeit hat, die Voraussetzungen der Steuervergünstigung leicht und einwandfrei zu überprüfen und dies auch uneingeschränkt für die mildtätigen Zwecke gelte.
Zusätzlich ist beachtlich, dass der BFH es für Notwendig hielt, auf das Verhältnis der mildtätigen zu den gemeinnützigen Zwecken einzugehen, indem er konkretisierend festhielt, dass die Verfolgung mildtätiger Zwecke nicht bloß „ein regelmäßig nicht zu entbehrendes Mittel zur Erreichung des gemeinnützigen Zwecks” ist, sondern vielmehr ein Nebenordnungsverhältnis besteht. Bei Wahl der Satzungszwecke ist insofern Obacht und stets eine Verprobung mit der Praxis geboten.
Bedauerlich ist jedoch, der Verzicht des BFH auf eine weitere Ausführung zur Notwendigkeit die sogenannte Mustersatzung wörtlich in der Stiftungsatzung zu verankern, wenn es sich um eine Stiftung ausländischen Rechts handelt.
Gerne stehen wir Ihnen als Team bei Fragen zum besprochenen BFH-Urteil oder bei Fragstellungen zur formellen Satzungsgestaltung zur Verfügung.