Unter verschiedenen Voraussetzungen gilt nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG ein ermäßigter Steuersatz von 7 % für Leistungen von Körperschaften, die gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen. Der BFH hatte nun zu entscheiden, ob der ermäßigte Umsatzsteuersatz im konkreten Fall auch für Blut- und Gewebetransporte von einem steuerbegünstigen Verein anwendbar ist. In der Sache selbst traf der BFH zwar keine Entscheidung, sondern verwies an das Finanzgericht Schleswig-Holstein zurück. Allerdings kommt der BFH in seinem Urteil vom 05.04.2023 zu einer Reihe von Feststellungen, die eine allgemeine und weitreichende Bedeutung – auch für andere Sachverhalte – haben.
Zusammenfassung
Die Entscheidung ist grundsätzlich interessant hinsichtlich der „Unmittelbarkeit der Zweckverwirklichung“. Weil der Verein die Transportleistungen nicht unmittelbar gegenüber dem begünstigten Personenkreis, sondern gegenüber Dritten erbracht hatte, wurde diese von dem Finanzamt verneint. Im Hinblick auf das Erfordernis für Einrichtungen der Wohlfahrtspflege i. S. des § 66 Abs. 3 AO teilt der BFH diese Auffassung, lässt es aber mit Bezug auf § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 Alternative 2 UStG ausreichend sein, wenn die hinsichtlich der Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes zu beurteilende Leistung als „Zweck oder als Maßnahme zur Zweckverwirklichung“ in der Satzung bezeichnet ist. Zur Vermeidung von Auslegungsfragen sollten die Maßnahmen zur Zweckverwirklichung einer steuerbegünstigten Körperschaft in der Satzung daher möglichst umfassend und genau beschrieben sein.
Der BFH weist zudem sehr deutlich darauf hin, dass nach seiner Auffassung die Einschränkung der Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 Alternative 1 UStG unter Berücksichtigung des Wettbewerbskriteriums für alle Zweckbetriebe gilt und somit auch für jene nach den allgemeinen Zweckbetriebskriterien des § 65 AO (entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung in A 12.9 Abs. 9 Satz 2 UStAE).
Dieser restriktiven Rechtsprechung soll indes durch das Wachstumschancengesetz entgegengewirkt werden, indem § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 Alternative 1 UStG mit Wirkung ab dem 1.1.2024 ebenfalls auf Zweckbetriebe i. S. der §§ 66 bis 68 AO beschränkt wird. Damit soll klargestellt werden, dass § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG zur Gänze nur auf Leistungen von Zweckbetrieben nach den §§ 66 bis 68 AO anzuwenden ist. Bei Leistungen von Zweckbetrieben nach § 65 AO soll keine zusätzliche umsatzsteuerrechtliche Prüfung der Wettbewerbsrelevanz stattfinden.
Sachverhalt
Kläger ist ein nach den §§ 51 bis 68 AO steuerbegünstigter Verein, der nach seiner Satzung u. a. den Zweck „verletzten, kranken und behinderten Menschen Hilfe zu leisten und eine Transportmöglichkeit mit vereinseigenen Fahrzeugen zu schaffen“ verfolgte. Er transportierte aber auch Blut- und Gewerbeproben von Arztpraxen oder Krankenhäusern zu Laboren. Vertragliche Beziehungen bestanden dabei lediglich zwischen dem Verein und den Krankenhäusern, Ärzten bzw. den Laboren. Zu den Patienten, deren Proben transportiert wurden, bestanden hingegen keine Vertragsbeziehungen.
Die Transportleistungen rechnete der Verein mit dem ermäßigten Umsatzsteuersatz ab. Das Finanzamt war demgegenüber der Auffassung, die Transportleistungen unterlägen dem Regelsteuersatz, da sie nicht unmittelbar dem begünstigten Personenkreis (Verletzte, Kranke und Behinderte) zugutekämen, sondern gegenüber Dritten (Krankenhäuser, Labore, Ärzte) erbracht worden seien. Der Verein habe somit nicht unmittelbar seine satzungsmäßige Zwecke erfüllt.
Grundsätze
Nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG ist für umsatzsteuerpflichtige Umsätze, die eine nach den §§ 51 bis 68 AO steuerbegünstigte Körperschaft in einem Zweckbetrieb erzielt, nur dann der ermäßigte Umsatzsteuersatz anzuwenden, wenn (a) der Zweckbetrieb nicht in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen in einem unmittelbaren Wettbewerbsverhältnis mit dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden Leistungen anderer Unternehmer dient oder (b) mit den Leistungen der in den §§ 66 bis 68 AO bezeichneten Zweckbetriebe die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke der Körperschaft selbst verwirklicht werden.
Zentrale Aussagen des BFH
Der BFH bestätigt zunächst seine Auffassung, dass die unter Buchst. (a) geschilderte Wettbewerbsprüfung für alle Zweckbetriebe nach §§ 65 ff. AO einschlägig sei.
Hinsichtlich der unter Buchst. (b) angesprochenen spezialgesetzlichen Bestimmung für Zweckbetriebe nach §§ 66 bis 68 AO, wonach die Zweckbetriebsleistung zur Selbstverwirklichung der steuerbegünstigten Zwecke führen müsse, arbeitet der BFH heraus, dass die zu beurteilenden Leistungen vom konkreten Satzungszweck der Körperschaft erfasst werden müssen, was bedingt, dass sie ausdrücklich als Zweck oder als Maßnahme zur Zweckverwirklichung (hier der Blut- und Gewebetransport) in der Satzung bezeichnet sind. Dagegen spricht im vorliegenden Fall nach Auffassung des BFH aber, dass es sich „bei Blutproben oder Körpersekreten um reine Untersuchungsobjekte handelt, die ihre körperliche Verbindung zum Patienten verloren haben und an denen keine Heil- oder Behandlungsmaßnahmen vorgenommen werden“.
Sollte daher keine Selbstverwirklichung der Zwecke durch die Zweckbetriebsleistung vorliegen, so ist zu prüfen, ob die durch die Blut- und Gewebetransporte erzielten Einnahmen in erster Linie als zusätzliche Einnahmen gelten, die den Wettbewerb mit anderen, nicht steuerbegünstigten Unternehmen berühren. „Zusätzlich“ in diesem Sinne sind alle Einnahmen, die eine Körperschaft durch Leistungen erzielt, die für die Verwirklichung ihres Zwecks nicht unerlässlich sind. Auf einen Gewinn für die Körperschaft kommt es dabei nicht an.
Letztlich weist der BFH zur Anwendung von § 66 AO darauf hin, dass die Transportleistungen des Vereins hilfebedürftigen Personen nicht i. S. des § 66 Abs. 3 AO „zugutekommen“, da sie nicht direkt „an den Patienten“ erbracht wurden. Ein „mittelbares Wirkungsverhältnis“ dürfte insoweit nach Auffassung des BFH nicht ausreichend sein.
Fazit
Der vorliegende Fall verdeutlicht, wie wichtig eine passgenaue Satzung für eine steuerbegünstigte Körperschaft ist. Alle ausgeführten Tätigkeiten müssen sich einem steuerbegünstigten Zweck zuordnen lassen, der ausdrücklich in der Satzung angegeben wird. Einzelne Tätigkeiten müssen konkret als Art einer Zweckerfüllung, also nicht als Zweck, bezeichnet und am besten mit der Bezeichnung „zum Beispiel“ oder „insbesondere“ gekennzeichnet werden, damit daraus nicht Rückschlüsse auf eine Einschränkung des geförderten Zwecks gezogen werden können.
Oft gibt es bei steuerbegünstigten Körperschafen Zweifel zur Anwendung des ermäßigten Steuersatzes. Daher stehen wir Ihnen bei Fragen zum Umfang der Steuerermäßigung selbstverständlich gerne zur Verfügung.
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