Mit Urteil vom 26. August 2021 (V R 5/19) entschied der Bundesfinanzhof (BFH) zu gleich in zwei Dauerbrennern des Gemeinnützigkeitsrechts: So galt es im vorliegenden Fall durch den BFH zu entscheiden, ob die individuelle Verbraucherberatung dem steuerbefreiten Zweckbetrieb zuzuordnen ist und ob insofern der ermäßigte Umsatzsteuersatz Anwendung findet. Der BFH differenzierte und wandte sich unter anderem gegen die Auffassung der Finanzverwaltung. Die Urteilsbegründung fußt zum Teil auf Unionsrecht.
Der Sachverhalt
Im vorliegenden Fall stritten der Kläger und das Finanzamt darum, ob die Durchführungen von Finanzanalysen einen Zweckbetrieb darstellen oder dem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zuzuordnen sind.
Die Klägerin, eine wegen der Förderung des Verbraucherschutzes als gemeinnützig anerkannte Körperschaft, verwirklichte Ihre Zwecke insbesondere dadurch, dass Sie vergleichende Untersuchungen zu Versicherungen durchführte und die diesbezüglichen Ergebnisse als Testberichte veröffentlichte. Die Veröffentlichung wurde veranschaulicht durch vordefinierte Musterfälle. Aufgrund der Vielzahl der Tarife bot die Klägerin jedoch zugleich individuelle Finanzanalysen gegen Entgelt an. Sie argumentierte, dass ein Versicherungsvergleich nur dann für den Verbraucher verwertbar ist, wenn individuelle Verbraucherdaten mitberücksichtigt werden. Die Verbraucher erhielten als Ergebnis der Finanzanalyse eine Computerauswertung und keine individuelle Beratung. Die Klägerin erwirtschaftete bei Umsätzen in Höhe von 100.000 € einen Verlust in Höhe von 70.000 €.
Das Finanzamt ordnete die Einnahmen dem steuerpflichtigen Geschäftsbetrieb zu und erlies entsprechende Bescheide zur Körperschaftsteuer, Umsatzsteuer und zum Gewerbesteuermessbetrag.
Wie entscheiden die Gerichte?
Nach den erfolglos geführten Einspruchsverfahren beschäftigte sich das Finanzgericht Berlin-Brandenburg (FG) in der Rechtssache 8 K 8286/17 mit dem Sachverhalt und urteilte am 24. Januar 2019 im Sinne der Klägerin, dass „das FA den erlittenen Verlust zu Unrecht einem [steuerpflichtigen] wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb der Klägerin zugerechnet und dem Regelsteuersatz [19%] unterworfen habe. Bei der Durchführung von Versicherungsvergleichsanalysen (Finanzanalysen) gegen Entgelt handele es sich um einen begünstigten Zweckbetrieb im Sinne von § 65 der Abgabenordnung (AO)”. Demnach seien die Einnahmen gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Bs. a Umsatzsteuergesetz (UStG) insofern auch dem ermäßigten Umsatzsteuersatz zu unterwerfen. Der Zweckbetrieb diene zudem nicht vordergründig der Erzielung von Einnahmen, sondern in erster Linie der Verwirklichung des Satzungszwecks. Dafür spräche unter anderem auch, dass im Streitjahr ein Verlust aus der Tätigkeit erzielt wurde. Gegen diese Entscheidung wandte sich nun das beklagte Finanzamt und legte Revision beim BFH ein
Im Anschluss an das FG nahm sich nun der BFH der Sache an. Dieser urteilte jedoch differenzierter als das FG und sorgte für eine Überraschung: Im Hinblick auf die Anerkennung der Finanzanalysen als Zweckbetrieb folgte der V. Senat dem FG uneingeschränkt und entschied, dass auch Finanzanalysen im Sinne einer individuellen Verbraucherberatung gegen Entgelt im Rahmen eines steuerbegünstigen Zweckbetriebs nach § 65 AO erfolgen können, wenn sich diese Leistungen an einen zahlenmäßig nicht begrenzten Personenkreis richten.
Allerdings sei im vorliegenden Fall – entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung im Umsatzsteueranwendungserlass – der ermäßigte Umsatzsteuersatz nicht bereits wegen der abgabenrechtlichen Zuordnung (§ 65 AO) anzuwenden. Für die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes sei eine gesonderte umsatzsteuerrechtliche Beurteilung ausschlaggebend.
Der BFH führte in diesem Zusammenhang aus, dass der ermäßigte Umsatzsteuersatz (§ 12 Abs. 2 Nr. 8 Bs. a UStG) demnach nur für solche Leistungen zur Anwendung kommen kann, die
- im Rahmen eines Zweckbetriebs ausgeführt werden,
- die nicht in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen dienen und
- nicht in unmittelbarem Wettbewerb mit dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden Leistungen anderer Unternehmer ausgeführt werden.
Als „vorrangig” (und damit „in erster Linie”) zur Erzielung von Einnahmen diene ein Zweckbetrieb bereits dann, wenn der ausgeführte Tätigkeitsgegenstand die einzige Tätigkeit des Zweckbetriebs sei (so auch ständige Rechtsprechung des BFH). Im vorliegenden Fall beschränke sich die Tätigkeit des Zweckbetriebs einzig auf die entgeltlichen Finanzanalysen, daher sei auf diese zusätzlichen Einnahmen der ermäßigte Steuersatz nicht anzuwenden. Eine Gewinnerzielung sei grundsätzlich unerheblich.
Zudem ergäbe sich aus dem Unionsrecht, dass die Steuerermäßigung nur für eine von den Mitgliedstaaten anerkannte gemeinnützige Einrichtung in Frage kommen könne, die wohltätige Zwecke verfolge und im Bereich der sozialen Sicherheit tätig sei. Die von der Körperschaft durchgeführten Finanzanalysen würden nicht als solche qualifiziert. Die deutsche Umsatzsteuervorschrift sei daher einschränkend auszulegen. Als Folge sind die im Zweckbetrieb erbachten Leistungen dem Regelsteuersatz in Höhe von 19% zu unterwerfen.
Folgen für die Praxis?
Der vorliegende Urteilsfall zeigt anschaulich, dass der Teufel – hier das Unionsrecht – zumeist im Detail liegt. Ein differenzierter Blick auf die im Unternehmen vorhandenen Sachverhalte – sowohl aus ertrag- als auch aus umsatzsteuerlicher Sicht – ist daher unerlässlich. Auch Altbewährtes bedarf gelegentlich einer Überprüfung.
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