Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Beschlüssen in zwei Verfahren (II B 78/23 und II B 79/23) des vorläufigen Rechtsschutzes zu den Bewertungsregelungen des neuen Grundsteuer- und Bewertungsrechts entschieden, dass Steuerpflichtige im Einzelfall unter bestimmten Bedingungen die Möglichkeit haben müssen, einen unter dem festgestellten Grundsteuerwert liegenden Wert ihres Grundstücks nachzuweisen.
Zum Hintergrund
Beim Bundesmodell werden die Werte relativ pauschal ermittelt. Die Eigentümer hatten eingewandt, dass ihre Immobilien sehr viel weniger wert seien – unter anderem wurden dabei die schlechte Zugänglichkeit des Grundstücks beziehungsweise ein sehr schlechter Zustand des Hauses angeführt.
Das Finanzgericht (FG) Rheinland-Pfalz hatte daher Ende November 2023 „ernstliche Zweifel“ an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Bewertungsregeln angemeldet und gab in einem Eilverfahren den zwei Antragstellern (Az. 4 V 1295/23, Az. 4 V 1429/23) recht. Die Vollziehung der Grundsteuerwertbescheide wurde ausgesetzt und „wegen der grundsätzlichen Bedeutung“ der Rechtssache und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Beschwerde zum BFH zugelassen.
Feststellungen des BFH
Nach Auffassung des BFH ergeben sich einfachrechtliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Grundsteuerwertfeststellungen in Bezug auf die Höhe der festgestellten Grundsteuerwerte daraus, dass den Steuerpflichtigen bei verfassungskonformer Auslegung der Bewertungsvorschriften die Möglichkeit eingeräumt werden müsse, bei einer Verletzung des Übermaßverbots einen niedrigeren gemeinen Wert nachzuweisen.
Der Gesetzgeber habe den Nachweis zwar nicht ausdrücklich geregelt, verfüge aber gerade in Massenverfahren der vorliegenden Art über einen großen Typisierungs- und Pauschalierungsspielraum. Das Übermaßverbot könne jedoch verletzt sein, wenn sich der festgestellte Grundsteuerwert als erheblich über das normale Maß hinausgehend erweise. Dies setze nach der bisherigen Rechtsprechung zu anderen typisierenden Bewertungsvorschriften voraus, dass der festgestellte Wert den nachgewiesenen niedrigeren gemeinen Wert um 40 Prozent oder mehr übersteige.
In beiden Streitfällen kam der BFH zu dem Ergebnis, es sei bei summarischer Prüfung nicht auszuschließen, dass die Antragsteller jeweils aufgrund einzelfallbezogener Besonderheiten den erfolgreichen Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts ihrer Grundstücke mit der erforderlichen Abweichung zu den festgestellten Grundsteuerwerten führen könnten.
Da deswegen bereits Zweifel an der Höhe der festgestellten Grundsteuerwerte bestanden, war vom BFH nicht mehr zu prüfen, ob die neue Grundsteuer grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Zweifeln bezüglich der zugrundeliegenden Bewertungsregeln unterliegt.
Fazit
Das FG hatte wegen erheblicher verfassungsrechtlicher Bedenken, insbesondere – aber nicht nur – was die Anknüpfung der Grundsteuerwerte an die Bodenrichtwerte betrifft, in zwei Verfahren die Aussetzung der Vollziehung gewährt und seinerzeit die Beschwerde zum BFH zugelassen. Der BFH hat im Ergebnis die Beschlüsse bestätigt. Die Aussetzung der Vollziehung beruht nach Auffassung des BFH jedoch nicht auf verfassungsrechtlichen Zweifeln – die damit zusammenhängenden Rechtsfragen hat er ausdrücklich offengelassen. Die Aussetzung beruht vielmehr auf der jahrelangen Rechtsprechung, wonach im Einzelfall auch dann der Nachweis eines niedrigeren Wertes möglich ist, wenn ein pauschalierendes und typisierendes Bewertungsverfahren nach dem Bewertungsgesetz dies eigentlich nicht zulässt.
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