[Artikel 11 MwStSystRL] ist dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat nicht verwehrt, zum einzigen Steuerpflichtigen einer Gruppe von Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, den Organträger dieser Gruppe zu bestimmen, wenn dieser in der Lage ist, seinen Willen bei den anderen Mitgliedern dieser Gruppe durchzusetzen, und unter der Voraussetzung, dass diese Bestimmung nicht zur Gefahr von Steuerverlusten führt.
Urteile des EuGH in den Rechtssachen C‑141/20 und C‑269/20
Mit diesen Antworten auf die vorgelegten Fragen des Bundesfinanzhofs belässt der EuGH es dabei, dass die nationale Norm zur umsatzsteuerlichen Organschaft (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG) nicht der Mehrwertsteuersystemrichtlinie entgegensteht. Die Vorgehensweise in nationalen Recht, denjenigen als „Steuerpflichtigen” („Organträger”) zu bestimmen, der die anderen Mitglieder der Gruppe mit seinem Willen beherrschen kann, ist zulässig.
In der Literatur wurde auch die Frage erörtert, ob der EuGH die Mehrwertsteuergruppe (=Organschaft) vielleicht als reine verwaltungsvereinfachende Regelung behandeln könnte. Davon liest sich in dem Urteil nichts, so dass auch weiterhin die Innenumsätze innerhalb der Organschaft nicht der Umsatzsteuer unterliegen.
Neben der grundsätzlichen Entscheidung, dass die Regelung zur Organschaft in Deutschland mit der MwStSystRL vereinbar ist, sind noch weitere Antworten vom Gericht gegeben worden.
Dieses als erster, schneller Einblick. Weitere Ausführungen zu den Urteilen folgen.
Anmerkung: Es stellt sich dennoch die Frage, ob das „Märchenbuch” zur Organschaft hiermit zugeschlagen wurde, oder nur ein neues Kapitel aufgeschlagen wird.
Die deutsche Regelung zur Besteuerung von Mehrwertsteuergruppen wurde [..] in der rechtswissenschaftlichen Literatur mit den Märchen der Gebrüder Grimm verglichen: „[Diese Regelung] erinnert an den vergifteten Apfel, den die böse Königin dem lieblichen Schneewittchen gab. Obwohl als Erleichterungsmaßnahme gedacht, ist die Mehrwertsteuergruppe zu einem Prüfungsschwerpunkt der deutschen Steuerbehörden geworden … [und] hat Anlass zu zahlreichen Gerichtsverfahren gegeben …, was zu einem bürokratischen Dschungel für Steuerzahler geführt hat, die oft ratlos sind, wenn es um die Frage geht, ob ihre vermeintliche Mehrwertsteuergruppe einer Prüfung standhalten wird.”
Laila Medina, Generalanwältin, Rz. 3 im Schlussantrag Rechtssache C‑141/20 vom 13.01.2022
Alle öffentlichen Dokumente zu den Verfahren können unter den folgenden Ressourcen eingesehen werden (Link auf die Website des EuGH, Vorgangsdatenbank)