Keine Steuerbefreiung für Leistungen eines Heilerziehungspflegers

Mit Urteil vom 25. März 2021 (11 K 252/20) ent­schied das Finanz­ge­richt Nie­der­sach­sen, dass die von einem Hei­ler­zie­hungs­pfle­ger erbrach­ten Leis­tun­gen im Rah­men der Ein­glie­de­rungs­hil­fe nicht von der Umsatz­steu­er befreit sind, wenn die Betreu­ten sie aus ihrem Per­sön­li­chen Bud­get bezahlen.

Der Sach­ver­halt

Der Klä­ger, ein staat­lich aner­kann­ter Hei­ler­zie­hungs­pfle­ger, erbrach­te im Streit­jahr sozi­al­päd­ago­gi­sche Unter­stüt­zungs­leis­tun­gen im Rah­men des ambu­lant betreu­ten Woh­nens. Für sei­ne Tätig­kei­ten wur­de er unmit­tel­bar von den zu betreu­en­den Per­so­nen beauf­tragt und ver­gü­tet. Die Betreu­ten begli­chen sei­ne Hono­ra­re aus ihrem Per­sön­li­chen Bud­get. Ein unmit­tel­ba­res Ver­trags­ver­hält­nis zwi­schen dem Klä­ger und dem Trä­ger der Ein­glie­de­rungs­hil­fe bestand nicht. Eben­so man­gel­te es an einer Ver­ein­ba­rung im Sin­ne des § 76 SGB XII mit dem zustän­di­gen ört­li­chen Trä­ger der Sozialhilfe.

Die Ent­schei­dung des Gerichts

Feh­len­de Vereinbarungen

Im Streit­fall ver­tra­ten sowohl die Finanz­ver­wal­tung als auch das Finanz­ge­richt die Auf­fas­sung, dass die Umsät­ze aus den erbrach­ten Unter­stüt­zungs­leis­tun­gen nicht gemäß § 4 Nr. 16 lit. h UStG von der Umsatz­steu­er befreit sind. Nach besag­ter Vor­schrift sei­en die Umsät­ze grund­sätz­lich nur dann steu­er­be­freit, wenn zwi­schen dem Leis­tungs­er­brin­ger und dem Trä­ger der Ein­glie­de­rungs­hil­fe bzw. dem ört­li­chen Trä­ger der Sozi­al­hil­fe schrift­li­che und unmit­tel­ba­re Ver­ein­ba­run­gen nach §§ 123 SGB IX oder 76 SGV XII bestehen wür­den. Auch der Umstand, dass der Land­kreis als ört­li­cher Trä­ger der Ein­glie­de­rungs- oder Sozi­al­hil­fe die Hono­rar­for­de­run­gen des Klä­gers begli­chen hat, ändert an der Umsatz­steu­er­pflicht nichts, weil dabei der Anspruch der Betreu­ten aus ihrem Per­sön­li­chen Bud­get gemin­dert, somit nur der Zah­lungs­weg abge­kürzt wurde.

Hin­weis: Im Umkehr­schluss bedeu­tet die­se Aus­sa­ge des Gerichts aber auch, dass die­je­ni­gen Ein­rich­tun­gen, die eine ent­spre­chen­de Ver­ein­ba­rung mit dem Trä­ger der Ein­glie­de­rungs­hil­fe bzw. dem ört­li­chen Trä­ger der Sozi­al­hil­fe haben, die Befrei­ung zuläs­si­ger­wei­se in Anspruch neh­men dürfen.

Kei­ne Beru­fung auf Unionsrecht

Zusätz­lich schloss das Finanz­ge­richt eine Beru­fung auf Art. 132 Abs. 1 lit. g MwSt­Sys­tRL (Uni­ons­recht) aus und begrün­de­te dies damit, dass eine Beschrän­kung der Umsatz­steu­er­frei­heit für die vom Klä­ger erbrach­ten Leis­tun­gen auf sol­che, mit denen eine Ver­ein­ba­rung nach § 123 SGB IX oder § 76 SGB XII besteht, uni­ons­rechts­kon­form sei. Eine über den Anwen­dungs­be­reich der natio­na­len Vor­schrift des § 4 Nr. 16 lit. h UStG hin­aus­ge­hen­de Steu­er­frei­heit unter Beru­fung auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwSt­Sys­tRL sei nach stän­di­ger Recht­spre­chung des BFH nicht geboten.

Auch die Auf­fang­norm des § 4 Nr. 16 lit. l UStG, wel­che eben­falls auf Art. 132 Abs. 1 lit. g MwSt­Sys­tRL beruht, sei im vor­lie­gen­den Fall nicht anwend­bar. Zum einen sei der Gesetz­ge­ber nach Auf­fas­sung des Finanz­ge­richt Nie­der­sach­sen berech­tigt gewe­sen, die Steu­er­be­frei­ung davon abhän­gig zu machen, ob bei der betref­fen­den Ein­rich­tung die Betreu­ungs­kos­ten in min­des­tens 25% der Fäl­le von den gesetz­li­chen Trä­gern der Sozi­al­hil­fe ganz oder zum über­wie­gen­den Teil ver­gü­tet wor­den sind. Dem­nach sei auch § 4 Nr. 16 lit. l UStG uni­ons­rechts­kon­form. Zum ande­ren war im Streit­fall unstrei­tig der vor­ge­schrie­be­ne Schwell­wert der Norm nicht über­schrit­ten wor­den, da der Klä­ger für die Betreu­ten direkt tätig gewor­den ist.

Im Streit­fall kei­ne mit­tel­ba­re Kostentragung

Abschlie­ßend stell­te das Finanz­ge­richt klar, dass auch die direk­te Aus­zah­lung der Kos­ten durch den Land­kreis als ört­li­cher Trä­ger für die Leis­tun­gen des Klä­gers aus den Mit­teln des Per­sön­li­chen Bud­gets kein Fall der mit­tel­ba­ren Kos­ten­tra­gung dar­stel­len wür­de. Eine mit­tel­ba­re Kos­ten­tra­gung läge nur dann vor, wenn ein Sub­un­ter­neh­mer für einen Anbie­ter tätig wird, der wie­der­um Auf­trä­ge durch den Trä­ger der Ein­glie­de­rungs­hil­fe erhält, da nur dann der Trä­ger in Kennt­nis des Sub­un­ter­neh­mers die Über­nah­me der anfal­len­den Kos­ten für die Leis­tun­gen des Sub­un­ter­neh­mers zusagt. Ver­gü­tet der Kos­ten­trä­ger die Leis­tun­gen des Sub­un­ter­neh­mers hin­ge­gen nicht, son­dern ledig­lich Leis­tun­gen des Leis­tungs­er­brin­gers, wer­den die Leis­tun­gen des Sub­un­ter­neh­mers gera­de nicht von einem in der Befrei­ungs­vor­schrift näher benann­ten Trä­ger vergütet.

Die prak­ti­schen Folgen

Das Urteil des Finanz­ge­richts Nie­der­sach­sen ver­deut­licht erneut die Schwie­rig­kei­ten im prak­ti­schen Umgang mit der Steu­er­be­frei­ungs­vor­schrift des § 4 Nr. 16 UStG: Eine risi­ko­ar­me Anwen­dung der Vor­schrift bedarf einer pass­ge­nau­en Aus­ge­stal­tung ins­be­son­de­re der Ver­trags­ver­hält­nis­se zwi­schen Leis­tungs­er­brin­ger, Leis­tungs­emp­fän­ger und Kos­ten­trä­ger. In gleich­ge­la­ger­ten Fäl­len soll­te ins­be­son­de­re eine unmit­tel­ba­re Auf­trags­er­tei­lung durch den Leis­tungs­emp­fän­ger (Betreu­ten) an den Leis­tungs­er­brin­ger (Hei­ler­zie­hungs­pfle­ger).

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