Bis zur sog. Zytostatika Rechtsprechung vertrat die Finanzverwaltung die Auffassung, dass die Abgabe von Medikamenten durch die Apotheke eines gemeinnützigen Krankenhauses an ambulant behandelte Patienten stets dem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zuzuordnen seien. Mit Urteil vom 31. Juli 2013 zur ertragsteuerlichen Behandlung von patientenindividuell hergestellten Zytostatika stellte der BFH hingegen fest, dass diese dem steuerbegünstigten Zweckbetrieb zuzuordnen sind. Am 30. Januar 2015 wurde das Urteil des BFH im Bundessteuerblatt veröffentlicht und der Anwendungserlass zur Abgabenordnung entsprechend geändert. Zum Zweckbetrieb Krankenhaus gehören nun alle Einnahmen und Ausgaben, die mit den ärztlichen und pflegerischen Leistungen an die Patienten als Benutzer des jeweiligen Krankenhauses zusammenhängen. Darunter fallen auch die an ambulant behandelte Patienten erbrachten Leistungen, soweit diese Bestandteil des Versorgungsauftrages des Krankenhauses sind.
Soweit die Historie.
Die Frage, welcher Umsatzsteuersatz für die Abgabe von Fertigarzneimitteln an ambulant behandelte Patienten zu Anwendung kommt, beschäftigt die steuerbegünstigten Krankenhäuser schon länger. Die Krankenkassen vertreten hier die Auffassung, dass auf diese Medikamente nur der ermäßigte Umsatzsteuersatz abzurechnen sei. Zur Durchsetzung dieser Forderung haben bereits etliche Krankenkassen die betroffenen Krankenhäuser verklagt und gleichzeitig angeboten, das Verfahren ruhend zu stellen. Alternativ wurde den Häusern angeboten entsprechende Verjährungsverzichtserklärungen zu unterzeichnen.
Ihren Anspruch leiten die Krankenkassen aus § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG her. Danach ermäßigt sich der Umsatzsteuersatz auf 7 Prozent, für Leistungen der Körperschaften, die ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke verfolgen. Der ermäßigte Steuersatz von 7 Prozent gilt aber nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG grundsätzlich nicht, wenn die gemeinnützigen Krankenhäuser mit diesen Leistungen in unmittelbaren Wettbewerb mit anderen Unternehmen stehen, die hierfür den allgemeinen Steuersatz von 19 Prozent anwenden müssen. Private Krankenhäuser oder auch öffentliche Apotheken, die keine gemeinnützigen Zwecke verfolgen, wären sonst benachteiligt. Damit wäre die Diskussion eigentlich beendet.
Allerdings eröffnet § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 letzter Halbsatz UStG, dass der ermäßigte Steuersatz – unabhängig von der Wettbewerbssituation mit nicht gemeinnützigen Krankenhäuser – auch dann zur Anwendung kommt, wenn die Krankenhäuser ihren gemeinnützigen Zweck „die Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens und der öffentlichen Gesundheitspflege“ mit der Abgabe von Fertigarzneimitteln an ambulant behandelte Patienten selbst verwirklichen. Daraus – und aus dem Urteil des BFH vom 18.10.2017 (V R 46/16) zur Abgabe von Faktorpräparaten im Rahmen der ambulanten Krankenhausversorgung – schließen die Krankenkassen, dass die Medikamentenabgabe an ambulant behandelte Patienten ebenfalls dem Zweckbetrieb Krankenhaus nach § 67 AO zuzuordnen und der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG anzuwenden ist. Der in dieser Vorschrift enthalte Wettbewerbsschutz gegenüber nicht gemeinnützigen Krankenhäusern, die den allgemeinen Steuersatz von 19 Prozent anzuwenden haben, sei mithin nicht rechtserheblich.
Die Krankenhäuser stehen hier aber im Moment allein auf weiter Flur, da es weder Verwaltungsanweisungen oder gar finanzgerichtliche Rechtsprechung zu genau dieser umsatzsteuerlichen Frage gibt. Immer mehr Krankenkassen treten aber an die Krankenhäuser heran und die streitgegenständlichen Veranlagungszeiträume reichen zum Teil bis in das Jahr 2009 zurück. Besorgniserregend ist die juristische Besonderheit, dass bereits etliche Veranlagungszeiträume bei der Umsatzsteuer unabänderlich sein dürften, die Krankenkassen aber sich noch in der Situation wähnen, auch Steuern diese Jahre betreffend zurückfordern zu können. In dem Fall würden die Krankenhäuser dieses aus dem eigenen Vermögen zu begleichen haben.
Der Fortgang der Verfahren ist daher mit besonderem Augenmerk zu verfolgen. Eine Hürde kann sein, dass die Klagen vor den Sozialgerichten geführt werden, bei denen das Umsatzsteuerrecht – hier als preisrelevanter Faktor – nicht allzu häufig elementarer Aspekt bei einer Entscheidung gewesen sein dürfte. An anderen Stellen hat man schon gesehen, welche kuriosen Situationen entstehen können. Es sollte daher im eigenen Interesse der Krankenhäuser sein, derartige Klageverfahren nicht nur medizinrechtlich, sondern vor allem steuerrechtlich begleiten zu lassen. Dies um vor den Sozialgericht den steuerlichen Aspekten zu verdeutlichen und darüber eine Abwehrhaltung zu begründen. Dem Vernehmen nach plant die Finanzverwaltung aktuell eine Stellungnahme zu der Frage, welcher Umsatzsteuersatz für die Abgabe von Fertigarzneimitteln aus dem steuerbegünstigten Zweckbetrieb zur Anwendung kommen sollte.