Der BFH hat mit seinem am vergangenen Donnerstag (11.04.2024) veröffentlichten Urteil vom 14.12.2023 – V R 28/21 nicht nur zur Personal- und Sachmittelgestellung an ermächtigte Krankenhausärzte entschieden (Leitsatz 1), sondern auch zur Anwendung der §§ 64, 67 AO auf Mitarbeitercafeterien, die aus arbeitsrechtlichen Gründen defizitär betrieben werden (Leitsatz 2).
Zur Einordnung der Thematik „Personal- und Sachmittelgestellung an ermächtigte Krankenhausärzte” verweisen wir an dieser Stelle auf unseren aktuellen Newsbeitrag vom 15.04.2024 sowie unseren Newsbeitrag vom 23.03.2021 zum vorinstanzlichen Urteil des Finanzgerichts Münster (13 K 365/17 K,G,F) vom 13.01.2021.
Ausgangsfrage
Den BFH beschäftigte – neben der Frage der Personal- und Sachmittelgestellung an ermächtigte Ärzte – auch die Frage nach der Anwendung der §§ 64, 67 AO auf Mitarbeitercafeterien, die aus arbeitsrechtlichen Gründen defizitär betrieben werden.
Sachverhalt
Die Klägerin, eine rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts, betrieb in den Streitjahren (2007 bis 2011) mehrere Krankenhäuser, welche sie als gleichartige Betriebe gewerblicher Art (BgA) zu einem einheitlichen BgA zusammenfasste, der in den Streitjahren über eine den Anforderungen der §§ 59 ff. der AO genügende Satzung mit dem Satzungszweck der Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens und der öffentlichen Gesundheitspflege verfügte.
In drei dieser Krankenhäuser betrieb die Klägerin Cafeterien. In zwei der drei Cafeterien gab sie Speisen und Getränke ausschließlich an Mitarbeiter des Zweckbetriebs „Krankenhaus” (§ 67 AO) zu vergünstigten Preisen ab. Die vergünstigte Abgabe der Speisen und Getränke an die Mitarbeiter erfolgte aufgrund einer Betriebsvereinbarung, welche Bestandteil der Arbeitsverträge der Mitarbeiter war. In der dritten Cafeteria gab die Klägerin darüber hinaus Speisen und Getränke auch an Dritte zu marktüblichen Preisen ab. Buchhalterisch wurden sämtliche Cafeterien als Gesamtbetrieb geführt, so dass keine getrennten Aufzeichnungen über die erzielten Gewinne oder Verluste aus der Beköstigung von Dritten oder von Mitarbeitern vorhanden waren.
Im Rahmen einer Betriebsprüfung griffen die Betriebsprüfer Aufwendungen der Klägerin auf, die die Klägerin bisher ihrem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb „Krankenhauscafeteria” zugeordnet hatte und begründeten dies wie folgt:
„Soweit Verluste in den Cafeterien angefallen seien, die ausschließlich Mitarbeiter beköstigten, hätten die Ausgaben insoweit den Bereich des Zweckbetriebs nicht verlassen und seien die Verluste demgemäß nicht im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zu berücksichtigen. Zum selben Ergebnis führe die Auffassung, „dass in Höhe der Verluste aus der Mitarbeiterverpflegung Entnahmen im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb und zugleich Einlagen im Zweckbetrieb vorliegen, weil sie dort Bestandteil [des] Arbeitslohns der dort beschäftigten Mitarbeiter sind” und der anzusetzende Teilwert den entstandenen Kosten entspreche. Soweit in einer Cafeteria sowohl Mitarbeiter als auch Dritte beköstigt worden seien, hinge die Zuordnung des Verlustes aus der Mitarbeiterverpflegung zum wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb davon ab, ob im jeweiligen Streitjahr bei den Besucheressen ein Gewinn oder ein Verlust erzielt worden sei. Im Fall von Gewinnen seien im Bereich der Mitarbeiterverpflegung entstandene Verluste in vollem Umfang dem Zweckbetrieb zuzuordnen. Seien bei den Besucheressen Verluste erzielt worden, seien Verluste im Bereich der Mitarbeiterverpflegung dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb nur in dem Verhältnis zuzuordnen, in dem auch im Bereich der Besucheressen die Ausgaben die Einnahmen überstiegen hätten. Dementsprechend verminderten die Betriebsprüfer den jeweiligen Verlust aus dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb „Krankenhauscafeteria” und erhöhten entsprechend den Gewinn des BgA […]” (Rz. 6)
Das FA schloss sich der Auffassung der Betriebsprüfer an und erließ geänderte Steuerbescheide. Die hiergegen eingelegten Einsprüche blieben erfolglos. Das Finanzgericht gab einer anschließenden Klage jedoch überwiegend statt und argumentierte in Hinblick auf die Cafeterien:
„Die Cafeterien [seien] wirtschaftliche Geschäftsbetriebe, auch wenn sie nur Mitarbeitern des Betriebs offen stünden. Betriebsausgaben, die bei dem Betrieb der Cafeterien anfielen, seien aber insoweit durch den steuerfreien Zweckbetrieb „Krankenhaus” veranlasst, als sich die Klägerin gegenüber ihren im Zweckbetrieb beschäftigten Mitarbeitern arbeitsrechtlich zu einer vergünstigten Beköstigung verpflichtet habe. Diese arbeitsrechtliche Verpflichtung sei bei einer wertenden Zuordnung der aufgrund des Betriebs der Cafeterien entstandenen Betriebsausgaben anhand von Aufwandsursachen zu berücksichtigen. Soweit die Klägerin gegenüber ihren im Zweckbetrieb beschäftigten Mitarbeitern teilweise auf ein Entgelt für eine Verpflegung verzichtet habe, stelle diese teilweise unentgeltliche Überlassung von Speisen und Getränken eine Gegenleistung für die Zurverfügungstellung von Arbeitskraft dar, die durch den Zweckbetrieb veranlasst sei. Die Aufwendungen, die auf den teilweisen Entgeltverzicht der Klägerin gegenüber ihren Arbeitnehmern entfielen, seien wirtschaftlich betrachtet Lohnaufwand des Zweckbetriebs. Die Höhe des Entgeltverzichts stelle einen hinreichend objektiven Maßstab für die Zuordnung des entsprechenden Anteils der Betriebsausgaben dar. Das FA habe allerdings insoweit der Höhe nach zu viele Betriebsausgaben dem Zweckbetrieb zugeordnet, als nach einer tatsächlichen Verständigung im gerichtlichen Verfahren die in den drei Cafeterien insgesamt angefallenen Betriebsausgaben (nur) zu 15 % auf die verbilligte Überlassung von Speisen und Getränken an Mitarbeiter des Zweckbetriebs entfielen. Die vom FA dem Zweckbetrieb zugeordneten Betriebsausgaben seien deshalb teilweise wieder dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zuzuordnen und minderten den in den angefochtenen Bescheiden berücksichtigten Gewinn […].” (Rz. 11)
Gegen das Urteil des Finanzgerichts legten sowohl das Finanzamt als auch die Klägerin Revision sein. Beide Parteien rügten aus unterschiedlichen Gründen die Verletzung materiellen Rechts. Der BFH ließ die Revisionen zu, hob das Urteil auf und verwies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück an das Finanzgericht Münster. Er begründete seine Zurückweisung damit, dass die Sache in Bezug auf die Einkünfte aus den Cafeterien wegen der für eine Entscheidung fehlenden hinreichenden Feststellungen des Finanzgerichts nicht spruchreif sei.
Konkret entschied der BFH zu drei wesentlichen Aspekten des FG-Urteils:
1. Zweckbetriebszugehörigkeit
„Mit seiner Entscheidung, dass es sich auch bei den „reinen Mitarbeitercafeterien” um nicht zweckbetriebszugehörige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe gehandelt habe, obwohl diese aufgrund einer arbeitsrechtlichen Verpflichtung zur verbilligten Beköstigung in allen Streitjahren defizitär betrieben wurden, hat das FG außer Acht gelassen, dass sich die für einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erforderliche Selbständigkeit gemäß § 14 AO auf die sachliche Selbständigkeit der Betätigung im Sinne einer Abgrenzbarkeit von einem steuerbegünstigten Wirkungsbereich bezieht und dass nicht nur alle Einnahmen, sondern auch alle Ausgaben, die mit den ärztlichen und pflegerischen Leistungen an die Patienten als Benutzer des jeweiligen Krankenhauses zusammenhängen, zum Zweckbetrieb gehören. Im zweiten Rechtsgang ist daher vorrangig zu prüfen, ob die Mitarbeitercafeterien im Hinblick auf die arbeitsrechtliche Verpflichtung zur verbilligten Beköstigung ‑ und jedenfalls insoweit im Gegensatz zum Urteil des FG Münster vom 23.03.2023 – 5 K 2867/20 U ‑ zum Zweckbetrieb „Krankenhaus” gehören oder ob die Tätigkeit von diesem Zweckbetrieb abgrenzbar ist und deshalb einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb bildet.
Sollte auf dieser Grundlage ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb zu bejahen sein, ist zu prüfen, ob nach dem in § 64 AO zum Ausdruck kommenden Veranlassungsprinzip zumindest die Ausgaben aus dem Betrieb der Mitarbeitercafeterien, soweit sie die Einnahmen aus deren Betrieb übersteigen, gleichwohl Ausgaben sind, die mit den ärztlichen und pflegerischen Leistungen an die Patienten als Benutzer des jeweiligen Krankenhauses zusammenhängen. Dies gilt ebenso für die „gemischte“ Cafeteria, für die nach den Feststellungen des FG eine Aufteilung der Einnahmen und Ausgaben auf den Besucher- und auf den Mitarbeiterbereich erfolgte.” (Rz. 53f.)
2. Defizitäre Tätigkeit
„Sofern das FG im zweiten Rechtsgang zu der Auffassung gelangt, die in allen Streitjahren defizitären Mitarbeitercafeterien oder der ebenfalls in allen Streitjahren defizitäre Mitarbeiterbereich der „gemischten“ Cafeteria stellten in vollem Umfang einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb dar, wird es die gemeinnützigkeitsrechtlichen Folgen eines Verlustausgleichs durch andere wirtschaftliche Geschäftsbetriebe zu prüfen haben. Zwar geht die Verwaltung davon aus, dass unter Berücksichtigung von § 64 Abs. 2 AO bei einer Körperschaft, die mehrere steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe unterhält, für die Frage, ob gemeinnützigkeitsschädliche Verluste vorliegen, nicht auf das Ergebnis des einzelnen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs, sondern auf das zusammengefasste Ergebnis aller steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebe abzustellen ist (AEAO Nr. 17 zu § 64 AO). Allerdings befreit § 64 Abs. 2 AO nicht von den Anforderungen in § 56 und § 55 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 AO, so dass ein Dauerverlustbetrieb die Steuerbegünstigung auch dann gefährdet, wenn seine Verluste dauerhaft durch die Gewinne anderer wirtschaftlicher Geschäftsbetriebe ausgeglichen werden. Der BFH hat sich hierzu bisher nicht geäußert.
Wäre danach ein gemeinnützigkeitsschädlicher Verstoß – und damit eine allgemeine Steuerpflicht der Klägerin – zu bejahen, schließt das Verbot einer Verböserung gegenüber den angefochtenen Körperschaftsteuerbescheiden nicht aus, bislang als steuerfrei behandelte Gewinne mit den von der Klägerin geltend gemachten Verlusten zu saldieren. Eine solche „Versagung der Gemeinnützigkeit“ wäre mangels einer gesonderten Feststellung der persönlichen Steuerbefreiung des § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG innerhalb der vom Verfahrensrecht gezogenen Grenzen nicht ausgeschlossen.” (Rz. 55f.)
3. Allgemeiner Zweckbetrieb
„Zusätzlich stellte der BFH fest, dass das FG im zweiten Rechtsgang zu prüfen haben wird, ob ein Zweckbetrieb iSd § 65 AO insoweit vorliegt, als eine Cafeteria einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb bilden sollte und diesem Geschäftsbetrieb bestimmte Einnahmen und Aufwendungen (im Ergebnis nach Veranlassungsgesichtspunkten im Vergleich zur steuerbefreiten Tätigkeit) zuzuordnen wären.” (Rz. 59)
Unsere Einschätzung
Während das Urteil des BFH vom 15.04.2024 hauptsächlich mit der Thematik der Personal- und Sachmittelgestellung an nach § 116 SGB V ermächtigte Ärzte in Krankenhäusern sowie mit der speziellen Zweckbetriebsnorm des § 67 AO in Verbindung gebracht wird, wird der zweite Leitsatz des Urteils weniger offensiv in die breite Fachöffentlichkeit getragen. Dies erscheint schlüssig, wenn man bedenkt, dass der Hauptstreitgegenstand des Verfahrens wohl die Einnahmen des Krankenhauses aus der Personal- und Sachmittelgestellung an nach § 116 SGB V ermächtigte Ärzte sind. Wenn man jedoch bedenkt, dass der Streit um die Beurteilung von Verlusten aus Mitarbeitercafeterien auch abseits der Diskussionen um den Zweckbetrieb „Krankenhaus” von Bedeutung ist und an eine seit langem geführte steuerrechtliche Grundsatzdebatte anknüpft, ist dies gleichermaßen bedauerlich.
Insbesondere die Tatsache, dass der BFH dem FG für den zweiten Rechtsgang unterschwellig mitgibt, dass die Auffassung der Finanzverwaltung zu defizitären Tätigkeiten in steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben zu großzügig ist, lässt für viele freigemeinnützige Träger in der Gesundheits- und Sozialwirtschaft nichts Gutes erahnen. Denn würde das FG zu der Auffassung gelangen, dass die Mitarbeitercafeterien als steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe zu beurteilen sind, würde in strenger Anwendung der offensichtlich vom BFH vertretenen Rechtsauffassung die Gemeinnützigkeit im Ganzen aufgrund der erzielten (Dauer)verluste in Frage zu stellen sein. Keine Beachtung scheint der BFH der Tatsache zu schenken, dass es sich um systematische Verluste aufgrund arbeitsrechtlicher Zwänge handelt. Zwar mag der BFH mit seinen Erwägungen rechtssystematisch einen validen Punkt haben, allerdings muss aus praktischer Perspektive angemerkt werden, dass der Betrieb von Cafeterien – und insbesondere von Mitarbeitercafeterien, die sich an lohnsteuer- und sozialversicherungsrechtlichen Regelungen orientieren – kein ertragsbringendes Geschäft ist, sondern vielmehr eine betriebliche Notwendigkeit. So dienen Cafeterien, seien sie nun für Dritte geöffnet oder nicht, regelmäßig auch als Begegnungsstätte und sozialer Knotenpunkt.
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