Mit dem kurz vor Weihnachten veröffentlichten Beschluss in der Rechtssache R 11/19 vom 3. August 2022 entschied der XI. Senat des Bundesfinanzhofs (BFH), dass die Annahme eines Zweckbetriebs nach § 67a Abs. 3 Satz 1 AO ausgeschlossen ist, wenn mangels ausreichender Aufzeichnungen nicht nachvollziehbar ist, inwieweit tatsächlich Aufwand bei den einzelnen Sportlern angefallen ist, und wenn deshalb nicht überprüfbar ist, ob bei allen Sportlern die Ihnen jeweils geleistete Zahlung nicht über eine Aufwandsentschädigung hinausgeht. Demnach hätte bereits das Finanzgericht zu Recht entscheiden, dass die durch die sportlichen Veranstaltungen erzielten Umsätze nicht dem ermäßigten Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 2 UStG unterliegen.
Sachverhalt
Der Kläger, im vorliegenden Urteilsfall ein eingetragener (Sport)verein (e.V.), verfolgt gemäß seiner Satzung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke im Sinne der AO. In seinen Umsatzsteuerjahreserklärungen für die Streitjahre 2010 und 2011 erklärte er Umsätze zum Regelsteuersatz und zum ermäßigten Steuersatz. Streitig war, ob die Umsätze des Sportvereins aus dem Verkauf von Eintrittskarten dem ermäßigten Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG unterliegen.
Im Rahmen einer Außenprüfung im Jahr 2016 stellte die Betriebsprüfung fest, dass die zum ermäßigten Steuersatz angemeldeten Umsätze aus der Gewährung von Eintrittsberechtigungen („Verkauf von Eintrittskarten“) für sportliche Veranstaltungen die für die Streitjahre geltende Umsatzgrenze des § 67a Abs. 1 Satz 1 AO in Höhe von jeweils 35.000 EUR (Hinweis: ab dem Veranlagungszeitraum 2022 beträgt die Grenze 45.000 EUR) überschritten. Die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG komme daher für die Streitjahre nicht in Betracht. Das Finanzamt (FA) erließ daraufhin Änderungsbescheide wegen Umsatzsteuer für die Streitjahre 2010 und 2011, in denen die Umsätze aus dem Verkauf von Eintrittskarten zum Regelsteuersatz besteuert wurden. Den Einspruch, mit dem der Kläger gemäß § 67a Abs. 2 AO auf die Anwendung der Zweckbetriebsgrenze in Höhe von 35.000 EUR (§ 67a Abs. 1 S. 1 AO) verzichtete und auf der Grundlage der weiteren Voraussetzungen des § 67a Abs. 3 die Zweckbetriebseigenschaft begehrte, wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 4. Mai 2017 als unbegründet zurück.
Eine sodann vom Sportverein eingereichte Klage wies das FG Niedersachsen mit Urteil vom 25. April 2019 (11 K 134/17) ab. Das FG stellte klar, dass es sich bei der vom FA angeordneten 400 EUR-Grenze (in AEAO Nr. 32 zu § 67a AO) um eine sachgerechte Vereinfachungsregelung zu Abgrenzung von pauschal geleisteten Aufwandsentschädigungen handelt. Ein darüber hinausgehender Betrag sei für die Einordnung als Aufwandsentschädigung im Einzelnen nachzuweisen.
Gegen das Urteil legte der Sportverein Revision ein und rügte die Verletzung materiellen Rechts. Die geleisteten Zahlungen an die einzelnen Spieler seien stets geringer als der für sie entstandene Aufwand gewesen. Der Verein beantragte, die Vorentscheidung vom 25. April 2019 und die Einspruchsentscheidung vom 4. Mai 2017 aufzuheben sowie unter Änderung der Änderungsbescheide vom 28. Juni 2016 die Umsatzsteuer 2010 und 2011 herabzusetzen.
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist dem Revisionsverfahren beigetreten.
Das Urteil
Der XI. Senats des BFH hielt die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich. Er entschied daher mittels Beschluss, dass die streitigen Umsätze nicht gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 2 UStG dem ermäßigten Steuersatz in Höhe von 7 % unterliegen.
Umsätze aus sportlichen Veranstaltungen (§ 67a AO) können grundsätzlich dem ermäßigten Steuersatz unterliegen
Nach einer kurzen, einleitenden Prüfung gelangt der BFH im vorliegenden Beschluss zunächst zur Auffassung, dass auf entgeltliche Leistungen, die ein gemeinnütziger Sportverein bei sportlichen Veranstaltungen erbringt, der ermäßigte Steuersatz angewendet werden kann. Zumindest dann, wenn eine Körperschaft – wie im vorliegenden Fall – ausschließlich und unmittelbar insbesondere gemeinnützige Zwecke verfolgt. Der BFH führt konkretisierend aus, dass dies jedoch ausdrücklich nicht für Leistungen gilt, die im Rahmen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ausgeführt werden bzw. lediglich dann, wenn der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb ein Zweckbetrieb (§§ 65 bis 68 AO) ist und die weiteren Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG erfüllt sind. Zu den Zweckbetrieben gemäß §§ 65 bis 68 AO gehören auch die in § 67a AO genannten sportlichen Veranstaltungen.
Unionsrechtliche Einordung
Fortgeführt wird die Urteilsbegründung mit einer unionsrechtlichen Einordnung. So führt der BFH diesbezüglich zunächst aus, dass § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG auf Art. 98 Abs. 2 und 3 der MwStSystRL beruht. Mitgliedsstaaten können danach zwar einen oder zwei ermäßigte Steuersätze anwenden. Die ermäßigten Steuersätze sind aber nur auf die Lieferungen von Gegenständen und die Dienstleistungen der in Anhang III MwStSystRL genannten Kategorien anwendbar. Dies gilt nach Anhang III Nr. 15 MwStSystRL für die Lieferung von Gegenständen und die Erbringung von Dienstleistungen durch von den Mitgliedstaaten anerkannte gemeinnützige Einrichtungen für wohltätige Zwecke und im Bereich der sozialen Sicherheit, soweit sie nicht gemäß den Art. 132, 135 und 136 MwStSystRL von der Steuer befreit sind.
Nach ständiger Rechtsprechung des europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des BFH folgt daraus, dass die Mitgliedstaaten insbesondere „nicht auf alle gemeinnützigen Leistungen einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz anwenden [dürfen] …, sondern nur auf diejenigen, die von Einrichtungen erbracht werden, die sowohl gemeinnützig als auch für wohltätige Zwecke und im Bereich der sozialen Sicherheit tätig sind“ (vgl. EuGH v. 17. Juni 2010 – C‑492/08, Kommission/Frankreich). Andere als derartige Leistungen sind daher unionsrechtlich vom Anwendungsbereich der Steuerermäßigung für gemeinnützige Körperschaften von vornherein ausgeschlossen. Dies führt dazu, dass § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz. 1 UStG nicht mit dem Unionsrecht vereinbar ist, weil einer unionsrechtskonformen Auslegung des Satzes 1 der Wortlaut der Vorschrift entgegensteht. Daher sind die von § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 2 und 3 UStG verwendeten Begriffe, soweit sie zur Anwendung des Regelsteuersatzes führen, weit auszulegen.
Eine andere unionsrechtliche Grundlage für § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG besteht nicht. Die Vorschrift kann insbesondere nicht auf Anhang III Nr. 13 MwStSystRL gestützt werden, der die vorliegend streitige „Eintrittsberechtigung für Sportveranstaltungen“ erfasst. Denn der in § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG iVm § 67a AO bezeichnete Zweckbetrieb umfasst zwar auch die Gewährung der Eintrittsberechtigung für Sportveranstaltungen, ist aber nicht hierauf beschränkt. Von der Möglichkeit des Anhangs III Nr. 13 MwStSystRL hat der nationale Gesetzgeber auch in § 12 Abs. 2 Nr. 7 UStG keinen Gebrauch gemacht.
Im Streifall kein Zweckbetrieb nach § 67a AO
Ausgehend von den nicht beanstandeten Feststellungen der Vorinstanz (FG Niedersachsen), bestätigte der XI. Senat die Auffassung, dass § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG i.V.m. § 67a Abs. 1 Satz 1 AO im Streitfall keine Anwendung finden kann, da der Sportverein im Einspruchsverfahren auf die Anwendung des § 67a Abs. 1 Satz 1 AO verzichtete. In diesem Fall sei ein Zweckbetrieb im Sinne des § 67a AO lediglich dann vorliegend, wenn die Voraussetzungen des § 67a Abs. 3 AO vollumfänglich erfüllt sind. Dies ist im Streitfall jedoch nicht gegeben.
Der BFH führte konkretisierend aus, dass sportliche Veranstaltungen eines Sportvereins unter den weiteren Voraussetzungen des § 67a Abs. 3 S. 1 Nr. 2 AO ein Zweckbetrieb nach § 67a Abs. 3 S. 1 Nr. 1 AO sind, wenn kein Sportler des Vereins teilnimmt, der für seine sportliche Betätigung oder für die Benutzung seiner Person, seines Namens, seines Bildes oder seiner sportlichen Betätigung zu Werbezwecken von dem Verein oder einem Dritten über eine Aufwandsentschädigung hinaus Vergütungen oder andere Vorteile erhält. Andere sportliche Veranstaltungen sind gemäß § 67a Abs. 3 S. 2 AO ein steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb. Somit ist im Anwendungsbereich des § 67a Abs. 3 AO für jede einzelne sportliche Veranstaltung gesondert zu entscheiden, ob die dort bezeichneten Voraussetzungen vorliegen. Ist auch nur ein einziger Sportler als sog. bezahlter Sportler anzusehen, bei dem die Voraussetzungen von § 67a Abs. 3 S. 1 AO nicht vorliegen, sind alle sportlichen Veranstaltungen, an denen dieser Sportler teilnimmt, ein steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb.
Da § 67a Abs. 3 S. 1 AO den Begriff der Aufwandsentschädigung nicht definiert, gelangt der BFH in Anlehnung an die herrschende Meinung im Schrifttum zu der Auffassung, dass die Vorschrift darauf abzielt, dass lediglich tatsächlich entstandener Aufwand entschädigt werden soll und die Entschädigung nicht die entstandenen Aufwendungen übersteigen soll. Jedenfalls dann, wenn nicht nachvollziehbar ist, inwieweit tatsächlich Aufwand bei den einzelnen Sportlern angefallen ist, kann nach Auffassung des BFH eine „pauschale Abrechnung von Aufwendungsersatz“ nicht genügen. Denn § 67a Abs. 3 S. 1 AO enthält keine gesetzliche Pauschalierungsregelung, wie sie der Gesetzgeber in anderen Fällen angeordnet hat.
Mangels ausreichender Aufzeichnungen war nicht nachvollziehbar, inwieweit tatsächlich Aufwand bei den einzelnen Sportlern angefallen ist. Für das FG war deshalb nicht überprüfbar, ob bei allen Sportlern die ihnen jeweils geleistete Zahlung nicht über eine Aufwandsentschädigung hinausging. Dies schließt die Annahme eines Zweckbetriebs nach § 67a Abs. 3 S. 1 AO aus.
Beweislast liegt beim Sportverein
Ergänzend führte der BFH aus, dass den Sportverein die Feststellungslast für das Vorliegen der in § 67a Abs. 3 S. 1 AO bezeichneten Voraussetzungen trifft, wenn dieser einen Verzicht gemäß § 67a Abs. 1 Satz 1 AO erklärt. Das Vorbringen des Sportvereins, dass die von ihm den Spielern gezahlten Beträge niemals die diesen tatsächlich entstandenen Aufwendungen überstiegen hätten und ein „maximaler Aufwendungsersatz“ als „monatliche Obergrenze“ errechnet worden sei, die stets höher als die tatsächlichen Zahlungen gewesen sei, sei nach Auffassung des BFH nicht zu folgen, da die tatsächlich entstandenen Aufwendungen für jeden einzelnen Sportler nicht bekannt waren. Ohne dass es einer weitergehenden Regelung bedürfte, hat er diese für jeden Spieler und jede Veranstaltung nachzuweisen. Die von ihm gewählte „pauschale Abrechnung von Aufwendungsersatz“ genügte dem ebenso wenig wie der Hinweis auf „die weiten Fahrten zu vier oder fünf Trainingseinheiten pro Woche“, zu Spielen und anderen Veranstaltungen.
Dass Aufzeichnungen zur Teilnahme der Spieler am Trainings- und Spielbetrieb nicht mehr vorhanden sind, geht auch dann zu Lasten des Klägers, wenn er – wie vorliegend – erst nachträglich auf die Anwendung von § 67a Abs. 1 AO verzichtet. Schließlich ist es auch unerheblich, dass er Einzelnachweise als weder zumutbar noch erforderlich ansieht. Der Kläger, der davon ausgeht, dass seine Zahlungen den bei den Spielern entstandenen Aufwand nicht überstiegen hätten, verkennt, dass er ebendies nachzuweisen hat (z.B. durch Aufstellungen der Spieler) und hierfür Plausibilitätsüberlegungen nicht ausreichen.
Abschließend stellte der BFH fest, dass kein allgemeiner Zweckbetrieb gemäß § 65 AO vorliegt. So sei nicht erkennbar, dass der Vereinszweck „den Sport zu betreiben und den Sport in seiner Gesamtheit zu fördern” nur durch den entgeltlichen Verkauf von Eintrittskarten für die vorliegend streitigen Sportveranstaltungen erreicht werden kann.
Unsere Einschätzung
Mit dem vorliegenden Beschluss wird der Streit um § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG und der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes im Zweckbetrieb fortgeführt (siehe auch BFH vom 23. Juli 2019 – XI R 2/17, BFH vom 26. August 2021 – V R 5/19 (wir berichteten u.a. bereits hier). Allerdings erneut ohne Erfolg für die Klägerseite: Der BFH legt § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG in Anlehnung an die Rechtsprechung des EuGH, seines eigenen Richtlinienverständnisses und seiner vorherigen Urteile weiterhin einschränkend und in Abweichung von der Finanzverwaltung aus. Für gemeinnützige Körperschaften, die nicht „für wohltätige Zwecke und im Bereich der sozialen Sicherheit tätig [sind]” sieht der BFH den Anwendungsbereich für den ermäßigten Steuersatz regelmäßig nicht eröffnet.
Bemerkenswert ist jedoch, dass es sich im vorliegenden Streitfall um „altes” Unionsrecht handelt. Seit dem 7. April 2022 gilt die neue Richtlinie 2022/542/EU des Rates v. 5. April 2022 zur Änderung der Richtlinien 2006/112/EG und (EU) 2020/285 in Bezug auf die Mehrwertsteuersätze, welche gemeinnützigen Körperschaften u.a. durch die Änderungen der Nummern 6, 15 und 28 in Anhang III neue Möglichkeiten eröffnet. Die neue Formulierung der Nr. 15 in Anhang III lautet nun „durch gemeinnützige Organisationen, die sich für wohltätige Zwecke und im Bereich der sozialen Sicherheit wie von den Mitgliedstaaten definiert einsetzen und die von den Mitgliedstaaten als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannt werden”. Es bleibt abzuwarten, ob der BFH damit § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG einen weitergefassten Anwendungsbereich zugesteht und sich von seiner einschränkenden Auslegung distanziert. Gegenwärtig stehen beim BFH noch keine Verfahren mit dem Streitjahr 2022 zur Entscheidung an.
Für die gemeinnützigen Organisationen mit entsprechend Zweckbetrieben besteht insofern weiterhin Rechtsunsicherheit. Eine gerichtliche Auseinandersetzung über die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes oder einzelne ertragsteuerliche Zweckbetriebe (siehe dazu auch das BFH-Urteil in der Rechtssache V R 5/19) – insbesondere für Streitjahre vor 2022 – sollte wohl bedacht sein. Eine außergerichtliche Einigung mit der Finanzverwaltung scheint im Regelfall erstrebenswert. Wer bereits in den Genuss des ermäßigten Steuersatzes im Zweckbetrieb gekommen ist, sollte eine Diskussion über dessen Anwendung nicht vor den Gerichten führen. Vielmehr sollte dafür Sorge getragen werden, die erforderlichen Nachweise zu erstellen.
Sie haben Fragen zu den praktischen Auswirkungen des BFH-Beschlusses, möchten gerne Ihre neuen Möglichkeiten durch das neue Unionsrecht aufgezeigt bekommen oder sind sich bei der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes im Zweckbetriebs unsicher? Sprechen Sie uns dazu jederzeit gerne an.
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