Am vergangenen Donnerstag, dem 15. Dezember 2022, veröffentlichte der Bundesfinanzhof (BFH) erneut ein Urteil (Rechtssache I R 52/20) mit gemeinnützigkeits- bzw. spendenrechtlichem Bezug. Im Urteilsfall entschied der BFH, dass
- eine gemeinnützige Körperschaft (im Urteilsfall ein eingetragener Verein) aus ihrem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb eine (begrenzt) abziehbare Spende i.S. von § 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG an ihre ebenfalls gemeinnützige Tochtergesellschaft leisten kann und, dass
- mittels Veranlassungsprüfung in Form eines Fremdvergleichs festzustellen ist, ob es sich bei der Zuwendung an die Tochtergesellschaft um eine Spende oder eine verdeckte Einlage handelt. Dabei sei der Fremdvergleich im gerichtlichen Verfahren vom Finanzgericht (FG) anhand aller Umstände des konkreten Einzelfalls vorzunehmen.
Der Sachverhalt
Der Kläger ist ein eingetragener Verein (e.V.). Sein satzungsmäßiger Zweck ist die Unterhaltung und der Betrieb eines inländischen Instituts mit diversen Aufgaben (u.a. Prüfung, Erforschung, Schulung, Beratung und Zertifizierung). Er verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke und ist wegen der Förderung von Wissenschaft und Forschung als gemeinnützig anerkannt. Mit der Erstellung Gutachten und Zertifizierungen erhält er einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, der gemäß Satzung ausschließlich dem Zweck dient, Eigenmittel für die gemeinnützige Tätigkeit bereitzustellen.
Der Kläger ist zu 90% an der gemeinnützigen A gGmbH (nachfolgend auch „Tochtergesellschaft”) beteiligt. Neben ihm sind ein Verband und die Stadt X mit jeweils 5% an der A gGmbH beteiligt. Die Mittel der A gGmbH dürfen gemäß Gesellschaftsvertrag nur für die satzungsmäßigen Zwecke verwendet werden. Ihre Gesellschafter sollen keine Gewinnanteile und in dieser Eigenschaft auch keine sonstigen Zuwendungen aus Mitteln der Gesellschaft erhalten.
In den Jahren 2014 und 2016 wandte der Kläger der A gGmbH aus Mitteln seines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs unterschiedlich hohe Beträge zu. Die Zuwendungen wurden dem ideellen Bereich der A gGmbH zugeordnet und die A gGmbH stellte entsprechende Spendenbescheinigungen aus. Im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb der A gGmbH wirkten sich die Zuwendungen nicht einkünfteerhöhend aus.
Der Kläger wurde in den Jahren 2014 und 2016 zunächst antragsgemäß veranlagt. Entsprechend wurden die dem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zugeordneten Zuwendungen als Spenden steuermindernd berücksichtigt. Im Rahmen einer bei dem Kläger und der A gGmbH durchgeführten Außenprüfung vertrat der Betriebsprüfer jedoch die Ansicht, dass die Zuwendungen an die A gGmbH nicht als Spende, sondern als durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst anzusehen und somit als nachträgliche Anschaffungskosten auf die Beteiligung (verdeckte Einlage) zu behandeln seien. In den betreffenden Jahren (2014 und 2016) seien von dem Kläger keine nennenswerten weiteren Spenden geleistet worden (auch nicht an fremde Dritte). Insofern sei davon auszugehen, dass der Kläger die an die A gGmbH geleisteten Zuwendungen unter Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem fremden Dritten nicht gewährt hätte. Ferner habe in der A gGmbH ein erheblicher Finanzierungsbedarf bestanden. Es seien in den Jahren 2014 und 2016 hohe Verlustvorträge aus den Vorjahren vorhanden gewesen und ohne die geleisteten Zahlungen des Klägers wäre in 2014 ein noch höherer Verlust und in 2016 ein Verlust entstanden.
Das Finanzamt änderte daraufhin die Bescheide über Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag sowie den Gewerbesteuermessbetrag für 2014 und 2016 entsprechend zu Ungunsten des Klägers.
Der Streit um die Steuerfestsetzung der Jahre 2014 und 2016 wurde zunächst im außergerichtlichen Verfahren und sodann im gerichtlichen Verfahren vor dem FG Rheinland-Pfalz ausgefochten. Das FG änderte die angefochtenen Bescheide dahingehend, dass die Zuwendungen an die A gGmbH auf Ebene der Klägerin nicht als nachträgliche Anschaffungskosten auf die Beteiligung (verdeckte Einlage) behandelt, sondern als Spenden einkommensmindernd in Abzug gebracht werden. Die Berechnung der festzusetzenden und festzustellenden Beträge übertrug es dem FA.
Auf die Verletzung materiellen Rechts gestützt, legte das FA gegen das finanzgerichtliche Urteil Revision beim Bundesfinanzhof ein.
Das Urteil
Der BFH hat die Revision im Wesentlich als unbegründet zurückgewiesen. (Nebenschauplatz des Urteils: Lediglich in Bezug auf die Bescheide über die Festsetzung der Solidaritätszuschläge 2014 und 2016 wurde die Revision als begründet angesehen und das FG-Urteil insoweit aufgehoben.)
Nach Auffassung des BFH hat das FG ohne durchgreifenden Rechtsfehler eine verdeckte Einlage abgelehnt und die Zuwendung als Spende zum (begrenzten) Abzug zugelassen.
Nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG sind (in den dort bestimmten Grenzen) Zuwendungen (Spenden und Mitgliedsbeiträge) einer Kapitalgesellschaft zur Förderung steuerbegünstigter Zwecke i.S. der §§ 52 bis 54 AO einkommensmindernd abziehbar. Diese Vorschrift ist auch grundsätzlich auf nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG (partiell) steuerbefreite gemeinnützige Körperschaften anwendbar, soweit diese aus ihren wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben eine Spende an eine andere steuerbegünstigte (Tochter-)Körperschaft leisten.
Eine Frage der Motivation: Abgrenzung der Spende von der (allgemeinen) Betriebsausgabe
Der in § 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG verwendete Begriff der Spende setzt nach ständiger Rechtsprechung Ausgaben voraus, die vom Steuerpflichtigen freiwillig und unentgeltlich zur Förderung steuerbegünstigter Zwecke geleistet wurden. Da solche Aufwendungen nur begrenzt abziehbar sind, sind sie von (unbeschränkt abziehbaren) allgemeinen Betriebsausgaben abzugrenzen. Entscheidend ist dabei nach ständiger Rechtsprechung des BFH die Motivation des Leistenden. Ist das Motiv für die Aufwendung in der Förderung der steuerbegünstigten Zwecke zu sehen oder jedenfalls überwiegend dadurch bedingt, sind die Aufwendungen im Rahmen des Spendenabzugs zu berücksichtigen. Ein Betriebsausgabenabzug kommt dagegen nur in Betracht, wenn und soweit durch die Aufwendungen auch wirtschaftliche Vorteile (regelmäßig Werbezwecke) für das Unternehmen angestrebt werden (im Urteilsfall nicht ersichtlich).
Einlage verdrängt Spende: Abgrenzung der Spende von der verdeckten Einlage
Darüber hinaus ist eine Spende von einer verdeckten Einlage abzugrenzen, zumal beide Zuwendungen im Ergebnis unentgeltlich und freiwillig erfolgen. Liegt eine verdeckte Einlage vor, verbleibt für einen Spendenabzug nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG kein Raum. Eine verdeckte Einlage ist die Zuwendung eines bilanzierbaren Vermögensvorteils aus gesellschaftsrechtlichen Gründen ohne Entgelt in Gestalt von Gesellschaftsrechten. Ob und inwieweit eine derartige Zuwendung im Gesellschaftsverhältnis wurzelt bzw. durch dieses veranlasst ist, ist aufgrund eines Fremdvergleichs zu beurteilen. Eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis liegt vor, wenn und soweit ein Nichtgesellschafter bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns der Gesellschaft den Vermögensvorteil nicht eingeräumt hätte. Weitere Maßstäbe zur Abgrenzung von verdeckter Einlage und Spende ergeben sich auch nicht aus der Regelung des § 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG, welche dem Wortlaut nach lediglich „vorbehaltlich” des § 8 Abs. 3 KStG zur Anwendung kommt.
Der finanzgerichtliche Fremdvergleich
Diesen Fremdvergleich muss im gerichtlichen Verfahren in erster Linie das FG als Tatsachengericht anhand aller Umstände des konkreten Einzelfalls durchführen. Die vom FG getroffene Würdigung kann im Revisionsverfahren (BFH-Verfahren) nur daraufhin überprüft werden, ob sie in verfahrensfehlerhafter Weise zustande gekommen ist und ob sie gegen Denkgesetze oder gegen allgemeine Erfahrungssätze verstößt. Ist dies nicht der Fall, ist der BFH auch dann an die Beurteilung des FG gebunden, wenn eine abweichende Würdigung des Veranlassungszusammenhangs gleichermaßen möglich oder sogar naheliegend ist.
Das FG hat demnach ohne durchgreifenden Rechtsfehler eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis und damit eine verdeckte Einlage verneint und eine (begrenzt) abziehbare Spende bejaht.
Der Fremdvergleich im Urteilsfall
Im besprochenen Urteilsfall hat das FG bei der Abgrenzung der Spende von der verdeckten Einlage darauf abgestellt, dass das Hauptmotiv der Zuwendungen in der Förderung der steuerbegünstigten Zwecke der A gGmbH gelegen habe, während die finanzielle Stärkung der Tochtergesellschaft lediglich ein günstiger Nebeneffekt gewesen sei. Auch das altruistische Zuwendungsmotiv sei – entgegen der Sichtweise das FA – nicht dadurch „verbracht”, dass es auch als Kriterium zur Abgrenzung von Spende und Betriebsausgabe dient. So bestünde kein Grund dieses Abgrenzungsmerkmal auch bei der Abgrenzung einer Spende von verdeckten Einlage heranzuziehen. Das FG durfte den Umstand, dass die Zahlungen unmittelbar nach dem Erhalt als Spenden behandelt und von der A gGmbH deren ideellen Bereich zugeordnet worden sind, durchaus als Indiz für das Fehlen einer Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis werten. Denn als im ideellen Bereich der A gGmbH gebundene Mittel unterlagen die Gelder dem Gebot der zeitnahen Verwendung für die steuerbegünstigten Zwecke (§ 55 Abs. 1 Nr. 5 AO) und standen damit für eine (theoretisch mögliche) spätere Einlagenrückgewähr (z.B. im Fall einer Auflösung der A gGmbH) nicht zur Verfügung.
Im Übrigen musste weder der Umstand, dass der Kläger in den Streitjahren nicht in einem nennenswertem Umfang Spenden an außenstehende steuerbegünstigte Einrichtungen geleistet hat, im Rahmen der Gesamtabwägung zur Annahme einer verdeckten Einlage führen noch die finanziell angespannte Lage der A gGmbH, da die Zuwendungen in den ideellen Bereich der A gGmbH flossen und insofern dem Gebot der zeitnahen Mittelverwendung gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO unterlagen.
Unsere Einschätzung
Die Entscheidung des BFH ist grundsätzlich zu begrüßen und schafft für den steuerjuristisch vorgebildeten Leser eine gewisse Klarheit über den Verlauf wichtiger Trennlinien bzw. stellt klar, dass die allgemeinen Abgrenzungskriterien, z.B. zwischen Spende und Betriebsausgabe sowie Spende und verdeckter Einlage, nahezu uneingeschränkt auch für den gemeinnützigkeitsrechtlichen Bereich bzw. den steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gelten.
Weniger erfreulich und eher enttäuschend für den Rechtsanwender ist das lediglich global formulierte Bekenntnis des BFH zur (finanzgerichtlichen) Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes bei der Abgrenzung einer Spende von einer durch das Gesellschaftsverhältnis veranlassten verdeckten Einlage. So lassen sich zwar, insbesondere unter Hinzuziehung des vorinstanzlichen Urteils des FG, Anknüpfungspunkte für die praktische Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes finden, allerdings dienen diese dem Rechtswender bestenfalls als grobe Richtschnur und Orientierungshilfe: Bei der Weitergabe von Mitteln aus dem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb an eine gemeinnützige Tochtergesellschaft im Unternehmensverbund sollte daher weiterhin u.a. genauerer auf die Motivationslage der Mittelweitergabe, die Finanzlage der zuwendungsempfangenden Tochtergesellschaft und den Umfang der im Übrigen geleisteten Spenden (insbesondere an fremde Dritte) geschaut werden.
Gerne stehen wir Ihnen als Team bei Fragen zum besprochenen BFH-Urteil, bei steuerlichen Fragestellungen zum Thema Mittelweitergabe und Verbundfinanzierung oder bei der steuerlichen Beurteilung von unternehmensverbundinternen Zuwendungen zur Verfügung.
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