Trotz KWK-Zuschlag: Keine fiktive Lieferung von selbst verbrauchtem Strom eines BHKW

Der BFH hat mit Urteil vom 29.11.2022 die bereits durch das Urteil des Finanz­ge­richts Köln vom 16.06.2021 getrof­fe­ne Ent­schei­dung bestä­tigt, dass ent­ge­gen der Auf­fas­sung der Finanz­ver­wal­tung die Aus­zah­lung des soge­nann­ten KWK-Zuschlags nach dem Kraft-Wär­me-Kopp­lungs­ge­setz (KWKG) für hoch­ef­fi­zi­en­te KWK-Anla­gen nicht zu einer Lie­fe­rung von dezen­tral ver­brauch­tem Strom führt.

Auffassung der Finanzverwaltung

Umsatz­steu­er­recht­lich wird von der Finanz­ver­wal­tung fin­giert, dass der ins­ge­samt erzeug­te Strom, inklu­si­ve des selbst ver­brauch­ten Anteils, in das öffent­li­che Strom­netz ein­ge­speist wird. Anschlie­ßend erfolgt durch den Strom­netz­be­trei­ber eine Rück­lie­fe­rung in Höhe des selbst genutz­ten Strom­an­teils an den Betrei­ber des BHKW. Die­se umsatz­steu­er­li­che Fik­ti­on ist vor­zu­neh­men, wenn dem Anla­gen­be­trei­ber der dezen­tral ver­brauch­te Strom in Form eines Zuschlags nach dem KWKG ver­gü­tet wird, vgl. Abschnitt 2.5 UStAE.

Wäh­rend sich die umsatz­steu­er­li­che Bemes­sungs­grund­la­ge für die Hin­lie­fe­rung auf­grund einer Bewer­tung der selbst ver­brauch­ten Men­gen mit Strom­markt­prei­sen und Ent­gel­ten für ver­mie­de­ne Netz­nut­zung erhöht, besteht hin­ge­gen bspw. für gemein­nüt­zi­ge Unter­neh­men, die im Wesent­li­chen steu­er­freie Aus­gangs­um­sät­ze aus­füh­ren, aus der Rück­lie­fe­rung kein Anspruch auf Vor­steu­er­ab­zug. Die Anwen­dung der Lie­fer­fik­ti­on führt im Ergeb­nis also zu einer erhöh­ten Umsatz­steu­er­zahl­last.

Da das BHKW im Rah­men der Strom­pro­duk­ti­on aber nach der Fik­ti­on der Finanz­ver­wal­tung aus­schließ­lich zur Aus­füh­rung von umsatz­steu­er­pflich­ti­gen Umsät­zen ver­wen­det wird, steht dem Anla­gen­be­trei­ber der antei­li­ge Vor­steu­er­ab­zug aus den Anschaf­fungs- sowie aus den lau­fen­den Betriebs­kos­ten zu, soweit die­se der Strom­pro­duk­ti­on durch das BHKW zuzu­ord­nen sind. Ob die­ser Vor­steu­er­ab­zug aus­reicht, um die erhöh­te Umsatz­steu­er­zahl­last zu kom­pen­sie­ren, hängt jedoch vom jewei­li­gen Ein­zel­fall ab.

Urteil des BFH

Wie bereits durch das Finanz­ge­richt Köln fest­ge­stellt, erfor­dert eine steu­er­ba­re Lie­fe­rung im Sin­ne des Umsatz­steu­er­ge­set­zes, dass der Unter­neh­mer einem Drit­ten die Ver­fü­gungs­macht an einem Gegen­stand gegen Ent­gelt ver­schafft. Es feh­le bei einem Direkt­ver­brauch eigen­pro­du­zier­ten Stroms aber an der Über­tra­gung von Sub­stanz, Wert und Ertrag an den Netz­be­trei­ber, die zu einer Über­tra­gung der Ver­fü­gungs­macht und damit zu einer Lie­fe­rung im Sin­ne von § 3 Abs. 1 UStG füh­re. Der Ver­brauch eigen­erzeug­ten Stroms bei geför­der­ten BHKW bewirkt somit kei­ne Lie­fe­rung an den Netz­be­trei­ber. Auch aus den Vor­schrif­ten des KWKG las­se sich kei­ne Lie­fe­rung des Stroms vom Anla­gen- an den Netz­be­trei­ber herleiten.

Fazit

Die Finanz­äm­ter sind zunächst wei­ter­hin an die umsatz­steu­er­li­che Lie­fer­fik­ti­on im Umsatz­steu­er­an­wen­dungs­er­lass gebun­den, wel­che mitt­ler­wei­le auch fast ins­ge­samt von den Netz­be­trei­bern im Rah­men der Abrech­nung ange­wandt wird. Somit stellt die aktu­el­le Abrech­nungs­pra­xis einen Wider­spruch zum BFH-Urteil dar.

Für die Anla­gen­be­trei­ber steht damit die Fra­ge der wei­te­ren umsatz­steu­er­li­chen Behand­lung im Raum. Ins­be­son­de­re ist zu klä­ren, ob der KWK-Zuschlag und die fik­ti­ve Hin­lie­fe­rung wei­ter­hin der Umsatz­steu­er zu unter­wer­fen sind und wie im Fal­le eines offe­nen Umsatz­steu­er­aus­wei­ses vor­zu­ge­hen ist.

Unsere Empfehlung

Ins­be­son­de­re bei Bestands­an­la­gen soll­te für alle offe­nen Jah­re ermit­telt wer­den, ob die Anwen­dung der Lie­fer­fik­ti­on wirt­schaft­lich von Vor­teil ist.

Dabei soll­te u. U. auch geprüft wer­den, ob tat­säch­lich in der Ver­gan­gen­heit mög­li­che Vor­steu­er­ab­zugs­po­ten­zia­le voll­stän­dig gel­tend gemacht wur­den. Zumal es – ent­ge­gen der lan­ge ver­tre­te­nen Ansicht der Finanz­ver­wal­tung – sach­ge­recht ist, die Auf­tei­lung der Vor­steu­er­be­trä­ge nach dem Ver­hält­nis der Markt­prei­se der pro­du­zier­ten Strom- und Wär­me­men­ge vor­zu­neh­men (BFH, Urt. v. 16.11.2016 – V R 1/15).

Sofern die Lie­fer­fik­ti­on wirt­schaft­li­che Nach­tei­le für den Anla­gen­be­trei­ber mit sich bringt, soll­ten ent­spre­chen­de Ände­rungs­an­trä­ge für die noch offe­nen Jah­re gestellt, bzw. Ein­spruch gegen zukünf­ti­ge Steu­er­be­schei­de ein­ge­legt werden.

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